Wochenrückblick #5/25

Brandmauer has fallen...

Veröffentlicht am 1. Feb 2025

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Wochenrückblick #5/25

Brandmauer has fallen...

Veröffentlicht am 1. Feb 2025

Wie Kulturschaffende gegen eine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD protestieren, wer mit einer Mauer in Grünheide den Staatsschutz auf den Plan gerufen hat, welche erschreckenden Zahlen eine Studie des BFDK offenbart, warum Ursina Lardi auf eine erfreuliche Italienreise gehen darf – und was Kultregisseur Quentin Tarantino bald mit William Shakespeare gemeinsam hat.
Von Brandmauern und römischen Gesten

In einer Zeit, in der bei der amerikanischen  Präsidentenvereidigung Elon Musk auf offener Bühne den Hitlergruß zeigt (ach nein, Entschuldigung, das war ja nur eine „römische Geste“!) und die Demokratie nach Trumps Amtsantritt nonchalant „umgebaut“ wird...Wen wundert es da eigentlich noch, dass auch die vielbeschworene „Brandmauer“ der CDU sich als windschiefes Kartenhaus entpuppt hat? Bei einer Abstimmung im Bundestag wurde der umstrittene Fünf-Punkte-Plan von Union-Kanzlerkandidat Friedrich Merz zur Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik angenommen – und zwar mit Stimmen der AfD, mit der die CDU ja angeblich nie zusammenarbeiten wollte. Doch der Fall der Brandmauer schlägt nun umso höhere Wellen: In einem offenen Brief, der unter anderem im Vogue Magazin veröffentlicht wurde, haben hunderte bekannte Namen aus Kunst, Kultur und Medien dagegen protestiert. Zur Motivation heißt es in dem Schreiben unter anderem: „Gerade auch wir Künstler*innen müssen uns klarmachen, dass wir eine der ersten Branchen sind, die betroffen sind, wenn die AfD und rechtes Gedankengut an Macht gewinnen.“ Die Unterzeichnenden, darunter Daniel Brühl, Jella Haase, Jasna Fritzi Bauer, Maren Kroymann und Karoline Herfurth, bezeichnen Merz' Entscheidung für eine Zusammenarbeit mit der AfD als „historischen Tabubruch“ und rufen die Zivilgesellschaft des Landes dazu auf, diesen nicht hinzunehmen: „Wir (…) müssen nun diese Brandmauer sein (…)“ Der öffentliche Druck scheint erfolgreich gewesen zu sein: Nach einer hitzigen Debatte im Bundestag scheiterte Merz' „Zustrombegrenzungsgesetz“ bei einer neuen Abstimmung.

Das Zentrum für Politische Schönheit hat sich dagegen - gemeinsam mit der britischen Aktionsgruppe Led by Donkeys - den bereits erwähnten Elon Musk vorgeknöpft. Wie der SPIEGEL berichtet, projizierte die Gruppe am Mittwochabend ein Foto von Musks Geste und das Wort „Heil“ an die Fassade des Tesla-Werks in Grünheide, so dass dort der Slogan „Heil Tesla“ zu lesen war. Die Polizei veröffentlichte zunächst ein Statement, dass es sich bei dem Foto der Aktion um einen „Fake“ handle. Inzwischen ermittelt allerdings der Staatsschutz wegen des Anfangsverdachts auf „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“. Grund dafür ist die Projektion des Fotos, „welches eine Geste zeigt, die dem Hitlergruß zum Verwechseln ähnlich sieht“. 

„Stage Fiction“ - Quentin Tarantino und das Theater

„And I will strike down upon thee with great vengeance and furious anger...“ Das von ihm verfasste fiktive Bibelzitat aus dem Kultfilm „Pulp Fiction“ riecht ja schon förmlich nach Shakespeare. Nun will Filmregisseur Quentin Tarantino sich offensichtlich auch in Meister Williams Metier, nämlich als Theaterautor versuchen. Komplett neues Terrain ist die Bühne für Tarantino nicht: Als Fünfzehnjähriger spielte er beim Torrance Community Theatre im Klassiker „Romeo und Julia“ mit und nahm später bei der James Best Theatre Company Schauspielunterricht. Eine wenig schmeichelhafte Kritik aus seiner Zeit als Darsteller unterstellte ihm auf der Bühne die Präsenz eines „welken Salatkopfes“ - vielleicht ein Grund, warum er später seine eigentliche Berufung hinter der Kamera und beim Schreiben fand. In einem Interview mit Variety, in dem er sich vorrangig über die Vermarktungsmaschinerie des modernen Filmbusiness auslässt, gibt Tarantino auch einen Vorgeschmack auf sein neuestes Projekt: „If you’re wondering what I’m doing right now, I’m writing a play. (…) If it’s a fiasco I probably won’t turn it into a movie. But if it’s a smash hit? It might be my last movie.” 

Das liebe Geld...

„Warum ist eigentlich am Ende des Geldes immer noch so viel Monat übrig?“ - Dieser Frage ist der Bundesverband Freie Darstellende Künste auf den Grund gegangen und hat eine Studie zur wirtschaftlichen und sozialen Lage von Soloselbstständigen und hybrid Erwerbstätigen in der Kultur- und Kreativwirtschaft veröffentlicht. Das Ergebnis – wie sollte es auch anders sein: Erschreckend. In Deutschland liegen die Einkommen von Kulturschaffenden weit unter dem Durchschnitt anderer Tätigkeiten. Knapp die Hälfte der Soloselbstständigen verdient im Jahr nicht einmal 15.000 Euro, ihre Rentenerwartung liegt bei nur 600 € monatlich. Helge Björn-Meyer aus der Geschäftsführung des BFDK fordert aufgrund dieser erschreckenden Zahlen ein deutliches Zeichen von der Politik: „Die zukünftige Bundesregierung ist angehalten, nachhaltige Lösungen zu finden, um Altersarmut und Fachkräfteabwanderung in andere Branchen Einhalt zu gebieten.“ 

Zumindest eine gute Nachricht angesichts der Kahlschläge in der Kulturförderung gibt es diese Woche, und zwar vom Bündnis internationale Produktionshäuser: Wie der WDR erfahren hat, sollen nun doch 1,8 Millionen Euro Förderung für den Zusammenschluss bereitgestellt werden. Ursprünglich hatte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Die Grünen) die Förderung für das Jahr 2025 komplett gestrichen. Laut Katrin Dod, Sprecherin des Bündnisses, könne die Arbeit nach der erfreulichen Umentscheidung des Ministeriums erst einmal weitergehen. 

In Göttingen haben Schauspieler*innen des Deutschen Theaters eindrucksvoll auf die geplanten Einsparungen und die Bedrohung ihres Arbeitsplatzes aufmerksam gemacht: Als Mitglieder der „Theater Partei“ verteilten sie auf dem Marktplatz Trauerkarten mit einem fiktiven Sterbedatum des Deutschen Theaters Göttingen. Diese sollten sympathisierende Passant*innen an Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) verschicken. Ein Video der Aktion findet sich beim Göttinger Tageblatt

„It´s not you, it´s me“ – HMT Leipzig beendet Zusammenarbeit mit dem Neuen Theater Halle

Laut einem Bericht des Portal „Du bist Halle“ hat die Leipziger Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ ihren Vertrag mit dem Neuen Theater Halle gekündigt. In dessen Schauspielstudio waren seit Jahrzehnten Leipziger Schauspielstudierende im 3. und 4. Studienjahr von Ensemblemitgliedern ausgebildet worden. Mit dem Ausbildungsjahr 2026/27 soll das Schauspielstudio angeblich nach Köln verlagert werden, mit Anbindung an ein größeres Haus, während die Ausbildungsstandorte in Leipzig und Dresden bestehen bleiben. Die Theater, Oper und Orchester GmbH Halle stellte auf Nachfrage aber klar: „Über die Gründe der Entscheidung liegen uns keine Informationen vor.“

Hamburger Ikone und venezianischer Löwe – Die Preise der Woche

Er gehört zum Hamburger Kulturgeschehen wie der Fisch zum Fischmarkt: Der Ulrich-Wildgruber-Preis für Schauspieler*innen wurde erneut vergeben. Über die mit 10.000 Euro dotierte Trophäe darf sich in diesem Jahr Linn Reusse freuen. Seit dem Abschluss ihres Studiums an der Hochschule Ernst Busch arbeitet sie sowohl beim Film als auch am Theater, unter anderem als Ensemblemitglied am Deutschen Schauspielhaus der Hansestadt. Aus der Begründung der Jury: „Die Art, wie souverän und berührend sie ihre Figuren (…) auspendelt zwischen Fragilität und Widerstandskraft, (…) machen Linn Reusse so unverwechselbar.“ Wie der NDR berichtet, wurde zum 25-jährigen Jubiläum des Preises auch eine zusätzliche Sonderauszeichnung in Höhe von 2.000 € vergeben. Diese geht an Schauspieler Christian Behrend, der beim inklusiven RambaZamba-Ensemble Berlin im Stück „Sein oder Nichtsein“ den legendären Schauspieler und Preis-Namensgeber Ulrich Wildgruber verkörpert. 

Vor kurzem sorgte die Absage ihrer Interimsintendanz in Berlin noch für einen kleinen Aufreger, über den Theapolis bereits berichtete. Nun ist das norwegisch-deutsche Künstlerduo Vegard Vinge und Ida Müller vom Hessischen Ministerium für Kunst und Kultur mit dem Hein-Heckroth-Bühnenbildpreis 2025 ausgezeichnet worden. Nach den Regeln der Preisvergabe wurden die beiden vom letzten Preisträger, Ulrich Rasche, vorgeschlagen; Kulturminister Timon Gremmels (SPD) folgte der Empfehlung: „Vegard Vinge und Ida Müller polarisieren und schockieren zuweilen mit ihrer Arbeit. Gleichzeitig liefern sie uns gewaltige Bilder und beeindruckenden Kunstwillen. Ihre Bühnenbilder bleiben in jedem Fall im Gedächtnis.“

Vinge und Müller durften ihrerseits eine*n Kandidat*in für den Förderpreis vorschlagen – nun erhält diesen die Bühnen- und Kostümbildnerin Hanna Rode. Ihre Schaffensstationen umfassen unter anderem die Deutsche Oper Berlin, das Schauspiel Hannover, das Grand Théâtre de la Ville de Luxembourg, das Münchner Volkstheater und das Schauspiel Wuppertal.

„Komm ein bisschen mit nach Italien...“ Schauspielerin Ursina Lardi kann nun ihre Koffer packen, um in Venedig eine große Auszeichnung entgegenzunehmen: Auf Empfehlung des künstlerischen Leiters der Theatersparte, US-Schauspieler Willem Dafoe, wird sie bei der Biennale 2025 mit dem Silbernen Löwen ausgezeichnet. Dafoe definiert Lardis Karriere und Spiel als Mischung von „Radikalität und Empathie“: „Ursina Lardi embodies the thousand nuances of an era on the brink of desperate collapse and at the same time reveals the possibility of a resistance that is not only artistic, but political and human as well.“ Beim 53. Internationalen Theaterfestival kann man sich selbst davon überzeugen: Lardi wird hier die italienische Premiere ihres zusammen mit Milo Rau konzipierten Abends „Die Seherin“ spielen.

Einen Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk erhält in diesem Jahr Elizabeth LeCompte, Gründerin der legendären Wooster Group. Seit den frühen 1970er-Jahren und 1980er-Jahren inspiriere LeCompte mit ihrer Arbeit zahllose andere Künstler*innen und habe dazu beigetragen, das Theater als Medium für politische und kulturelle Debatten zu öffnen, so die Begründung Dafoes, der selbst einmal Mitglied der Theatergruppe war. Die Wooster Group, ursprünglich als „off-off-Broadway“-Ensemble von LeCompte und Spalding Gray gegründet, gilt heute als Vorreiter der Postdramatik und der Dekonstruktion von Theatertexten. Auch wurde hier zum ersten Mal im großen Stil mit Videotechnik auf der Bühne experimentiert.

Abschied

Das Staatsschauspiel Dresden trauert um ein langjähriges Ensemblemitglied: Schauspielerin Thea Elster ist im Alter von 94 Jahren gestorben. Nach ihrer Schauspielausbildung in Leipzig und ersten Engagements in Wittenberg und Altenburg spielte Elster von 1956 bis 1970 in Dresden alle großen Rollen von Nora über Polly bis zu Rosalinde. In der ehemaligen DDR wirkte sie außerdem in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen mit, unterrichtete an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden und setzte sich leidenschaftlich für das Etablieren des Chansons in Ostdeutschland ein. 

Einer der Publikumslieblinge des deutschen Fernsehens ist in dieser Woche von uns gegangen: Schauspieler Horst Janson ist im Alter von 89 Jahren in seinem Haus bei München gestorben, wie in der FAZ nachzulesen war. Schon 1956 wirkte er in der Verfilmung von Thomas Manns Mammutroman „Die Buddenbrooks“ mit, aber erst durch die Serie „Salto Mortale“ und seine Titelrolle in „Der Bastian“ wurde er in den 1970er Jahren berühmt. Als „der Horst“ gehörte er auch jahrelang zum Ensemble der „Sesamstraße“. Neben Film und Fernsehen war Janson aber auch ein begeisterter Bühnendarsteller: So spielte er regelmäßig an der Komödie im Bayerischen Hof München und bei Karl-May-Adaptionen in Bad Segeberg. 

Mit seiner Show „Pleiten, Pech und Pannen“ brachte er regelmäßig ein Millionenpublikum zum Lachen – jetzt ist Moderator und Schauspieler Max Schautzer im Alter von 84 Jahren nach kurzer Krankheit verstorben, wie unter anderem die Tagesschau berichtet. In den 1980er Jahren entwickelte Schautzer sein Konzept einer Show, in der Privatvideos von Missgeschicken für Erheiterung sorgten. Auch war er der kreative Kopf hinter weiteren Formaten wie „Alles oder nichts“, „Die goldene Eins“ und „Ein Platz an der Sonne“. Nach seinem Rückzug aus dem Fernsehen, bei dem laut Schautzer „die Qualität im Sinkflug“ sei, verlegte er sich aufs Theaterspielen und war unter anderem auf Bühnen in Hannover, Düsseldorf, Köln, Stuttgart und Berlin zu sehen.

Und ein internationaler Star hat sich diese Woche für immer von der Weltbühne verabschiedet: Sängerin und Schauspielerin Marianne Faithfull ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Erste Bekanntheit erlangte sie vor allem als Partnerin von „Rolling Stones“-Frontmann Mick Jagger. Beide galten als Traumpaar der „Swinging Sixties“, Jagger schrieb für Faithfull ihren ersten Hit „As Tears Go By“. Die spätere Trennung von Jagger trieb Faithfull in eine Drogensucht, ein Gefängnisaufenthalt und Obdachlosigkeit prägten ihr Leben. Doch sie schaffte aus eigener Kraft den Entzug und entwickelte sich daraufhin auch künstlerisch weiter. Sie arbeitete später mit Musiker*innen wie Billy Corgan und PJ Harvey zusammen und spielte auch in mehreren Filmen mit, etwa in der Tragikomödie „Irina Palm“ - aber auch in einer „Hamlet“-Verfilmung als Ophelia an der Seite von Anthony Hopkins. Ein Nachruf findet sich beim ZDF. So long, Marianne!

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