Jahreshauptversammlung am 28.10. in Hamburg

Bühnenverein verabschiedet erweiterten Wertebasierten Verhaltenskodex

Veröffentlicht am 29. Okt 2021

<a href="https://www.moniquewuestenhagen.de/" target="_blank" rel="noopener">Mo W&uuml;stenhagen Photography</a>: Marc Grandmontagne (li.) und Carsten Brosda (re.) © Mo Wüstenhagen Photography: Marc Grandmontagne (li.) und Carsten Brosda (re.) © Mo Wüstenhagen Photography: Marc Grandmontagne (li.) und Carsten Brosda (re.)
Jahreshauptversammlung am 28.10. in Hamburg

Bühnenverein verabschiedet erweiterten Wertebasierten Verhaltenskodex

Veröffentlicht am 29. Okt 2021

Während in der ersten Fassung von 2018 sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch im Fokus standen, adressiert der aktualisierte Kodex weitere Dimensionen von Diskriminierung und nimmt Theaterleitungen und Rechtsträger stärker in die Pflicht. Nun stellt sich auch die Frage nach Kooperationen mit anderen Theater-Institutionen.

Geschlechtergerechtigkeit und neue Gruppenstrukturen

Auch eine neue Satzung für den Verband wurde verabschiedet. Nach der Entscheidung von 2019, das Präsidium des Bühnenvereins doppelt und paritätisch zu besetzen, legt die neue Satzung Schwerpunkte auf Geschlechtergerechtigkeit in Gremien und auf neue Gruppenstrukturen, die der Praxis an Theatern und Orchestern besser entsprechen.

Der Geschäftsführende Direktor des Deutschen Bühnenvereins Marc Grandmontagne wird in der Pressemitteilung des Verbands zitiert: "Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Debatten haben wir 2018 einen Kulturwandel angestoßen und mit der Gründung der Vertrauensstelle Themis, dem ersten Wertebasierten Verhaltenskodex und dem Beschluss zu geschlechterparitätischer Gremienbesetzung einen Prozess der Veränderung im Bühnenverein und in den Häusern in Gang gesetzt. Dabei war von Anfang klar, dass echte Veränderungen nur gemeinsam mit den Trägern zu erreichen sind. Mit den gestern in Hamburg beschlossenen Vorhaben gehen wir diesen Weg konsequent weiter."

"Zwei große Schritte in die Zukunft"

Für den DBV-Präsidenten und Hamburger Kultursenator Dr. Carsten Brosda geht der Deutsche Bühnenverein mit diesen beiden Neuerungen "zwei große Schritte in die Zukunft. [...] Wir haben vereinbart, dass wir auf der Grundlage des Kodex Handlungsempfehlungen entwickeln werden, wie seine Inhalte gelebte Realität werden können. Dabei stehen sowohl die Träger und Gesellschafter als auch die Leitungen der Häuser in der Verantwortung."

Es gehe darum, "wie die ethische Vereinbarung jetzt auch betriebliche Wirklichkeit wird." Dazu gehörten auch Fragen wie: Nach welchen Kriterien wird das Führungspersonal ausgewählt? Welche Schulungsangebote gibt es?

Die einzelnen Verhaltensregeln im aktualisierten Kodex lauten aktuell wie folgt:

  • Ich verhalte mich anderen gegenüber rechtskonform und respektvoll. Das gilt auch für den künstlerischen Arbeitsprozess. 
  • Ich unterlasse jede körperliche, sprachliche oder gestische Form von Übergriff oder Diskriminierung. 
  • Ich bin mir bewusst, dass mein Verhalten bei meinem Gegenüber eine andere Wirkung erzielen kann als beabsichtigt. Deshalb bemühe ich mich darum, eindeutig und klar zu kommunizieren. Ich verhalte mich empathisch, selbstkritisch und gesprächsbereit. 
  • Ich gehe gewissenhaft mit der mir übertragenen Verantwortung um. 
  • Ich spreche Konflikte offen an und trage aktiv dazu bei, diese fair zu lösen. 
  • Ich schreite ein, wenn ich Zeug*in von situationsunangemessenem Verhalten jeglicher Art werde und spreche dies direkt an. 
  • Bei der Aufklärung von Übergriffen oder diskriminierendem Verhalten unterstütze ich eine umfassende und ergebnisoffene Prüfung und höre allen Beteiligten unvoreingenommen zu.

Der erste Wertebasierte Verhaltenskodex des Deutschen Bühnenvereins 2018 wurde vielfach Teil von Veränderungsprozessen in den Häusern, die ihn an ihre jeweilige Situation vor Ort angepasst haben bzw. daran noch arbeiten.

Bislang keine Kooperation mit anderen Theater-Institutionen

Eine Kooperation mit anderen Institutionen aus der Theaterbranche, die ähnliche Kodizes aufgestellt haben, habe es bisher noch nicht gegeben, sagte Grandmontagne auf Nachfrage von Theapolis. Er erwähnte jedoch eine initiale Zusammenarbeit mit Experten des DGB. Außerdem habe die Veröffentlichung des ersten Kodex zahlreiche Anfragen und regen Zuspruch hervorgerufen, "auch aus ganz anderen Ecken als dem Theater", so zum Beispiel von Wirtschaftsverbänden.

Insgesamt glaube er aber, "das [sei] etwas, wo man jetzt auch einfach notwendigerweise in den Austausch kommt - und das ist sicherlich eines der Dinge, die wir dann in den nächsten Monaten und Jahren noch machen werden."

Corona als "das all-erdrückende Thema"

Weitere Themen der Jahreshauptversammlung waren "Corona als das all-erdrückende Thema", wie Grandmontagne es beim heutigen Pressegespräch ausdrückte, sowie Klimaschutz und Nachhaltigkeit.

Hasko Weber, Intendant des Deutschen Nationaltheaters & Staatskapelle Weimar und Vorsitzender der Intendant*innengruppe, wurde zum neuen Vizepräsidenten gewählt.

Mo Wüstenhagen Photography

Kommentare

Anja Lemercier

Anja Lemercier

Das klingt ja alles ganz schön, leider sieht die Realität an den meisten staatlichen Theatern völlig anders aus, nämlich hierarchisch und missbrauchend. Die einzigen, die von diesem Kodex profitieren, sind die Machthabenden, nämlich als Imagepflege. Und theapolis ist in Sachen me-too leider auch kein Vorbild, nach meiner persönlichen Erfahrung.
01.11.2021 23:18