Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine beschäftigt uns nun schon so lange Zeit, dass er – überspitzt ausgedrückt – schon fast zum Alltag gehört. Unter der täglichen Flut von Schreckensmeldungen aus dem Krisengebiet stumpfen das Entsetzen und die Empörung bei vielen ab. Was man täglich hört, schockiert einen irgendwann nicht mehr. Umso mehr sollte uns in unserem Alltag als Theaterschaffende die nachfolgende Meldung aufrütteln:
Sieben Menschen getötet, 129 verletzt, Theater zerstört: Russischer Raketenangriff auf Tschernihiw
Nach Berichten des ZDF und des Portals nachtkritik ist am vergangenen Samstag in der nordukrainischen Stadt Tschernihiw eine Rakete eingeschlagen und hat neben der polytechnischen Universität auch das örtliche Theater schwer beschädigt. Dort fand zum Zeitpunkt des Angriffs eine Ausstellung über Drohnen statt. Sieben Menschen wurden getötet, 129 verletzt.
Die Ursprünge des Schewtschenko-Theaters reichen bis in die 1920er Jahre zurück, der aktuelle Theaterbau stammt aus dem Jahr 1959 und beherbergt seit den 1990er Jahren regelmäßig das Slawische Theatertreffen. Inzwischen sind von russischer Seite 83 Theater in der Ukraine komplett oder teilweise zerstört worden; im Dezember 2022 wurde von den Besatzern damit begonnen, das bombardierte Theater von Mariupol abzureißen.
Man erkennt hier sehr deutlich die Bemühungen Russlands, die kulturelle Identität der Ukraine zu zerstören. Während die deutschen Theater langsam aus der Sommerpause zurückkehren, kämpfen nur 1.500 Kilometer entfernt Bühnen wortwörtlich ums Überleben... Ohne notwendige Diskussionen über die Problematiken an deutschen Theatern abschwächen zu wollen, lässt dies vielleicht auch manche Problematik in einem etwas anderen Licht erscheinen.
Theater Hagen startet neue Spielzeit: "Wir werden sparen müssen, und das in allen Sparten."
Das Theater Hagen hat den Start in die neue Saison mit den neuen Ensemblemitgliedern begrüßt – aber wie so viele Häuser auch diesen Moment genutzt, um auf die prekäre Situation der deutschen Theaterlandschaft aufmerksam zu machen. Wie die Westfalenpost berichtet, will man vor allem wieder jüngeres Publikum gewinnen, vorrangig durch ein populäres Angebot im Spielplan. Intendant Francis Hüsers sprach sich noch einmal deutlich gegen eine Zuschusskürzung aus, da es sonst "heiß" würde: "Wir werden sparen müssen, und das in allen Sparten." Dich kennen wir doch, du gefürchteter Satz...
Zwei positive Nachrichten lassen sich aber mit Spielzeitstart doch verkünden:
"Die modernsten und fortschrittlichsten Theaterwerkstätten im deutschsprachigen Raum"
Zum einen hat das Staatstheater Hannover nach dreijähriger Bauzeit neue Werkstätten erhalten, laut Süddeutscher Zeitung "die modernsten und fortschrittlichsten Theaterwerkstätten im deutschsprachigen Raum". Die Kosten von 38 Millionen trägt das Land Niedersachsen als einziger Gesellschafter der Theater-GmbH. 70 Menschen bauen in den Werkstätten jedes Jahr etwa 40 Bühnenbilder und können dies nun in einer regelrechten "Traumfabrik" tun, wie Schauspiel-Intendantin Sonja Anders schwärmt.
Endlich Lösung in Sicht in München-Haar
Und im Süden der Republik bahnt sich eine friedliche Lösung an: Das Kleine Theater Haar scheint sich mit seinen Nachbarn im Konflikt um Lärmbelästigung bei den Freilichtveranstaltungen (Theapolis berichtete) geeinigt zu haben. Nach einem Bericht in der SZ sind noch keine Details zur Einigung bekannt, da die Beteiligten des runden Tisches erst gemeinsam das Protokoll besprechen möchten. Der Vermittlungsversuch von Bürgermeister Anton Bukowski (CSU) in dem sehr verfahrenen Streit scheint aber gefruchtet zu haben.
Die Besten des Jahres: Berlin ist der Abräumer
Sie ist schon eine echte Institution: die Kritiker*innenumfrage der Zeitschrift "Theater heute", bei der die besten Theater und Künstler*innen des Jahres gekürt werden. Nun liegen die Ergebnisse vor: Wie der Deutschlandfunk weiß, ist die Hauptstadt der Abräumer des Jahres.
Nicht nur wurde das Deutsche Theater Berlin zum Theater des Jahres gewählt, auch der beste Schauspieler und die beste Inszenierung sind am Spreeufer zu Hause. Die Volksbühnen-Arbeit "Ophelia´s got talent" von Florentina Holzinger steht auf dem Siegertreppchen der Inszenierungen ganz oben, dicht gefolgt von Jossi Wielers "Angabe der Person", einer Jelinek-Uraufführung im Deutschen Theater. Theaterstück des Jahres wurde "Bühnenbeschimpfung" der in Berlin lebenden israelischen Autorin Sivan Ben Yishai. Joachim Meyerhoff heimste als Trigorin in Ostermeiers "Möwe" an der Schaubühne den Titel des besten Schauspielers ein.
Doch auch außerhalb von Berlin schlummern alte und neue Talente: Zur besten Schauspielerin wurde Wiebke Mollenhauer und zur Nachwuchsregisseurin des Jahres Rieke Süßkow gewählt. Der Spiegel kennt weitere Details zu den Entscheidungen der Kritiker*innen.
Herbe Verluste
Eine schockierende Nachricht hat uns aus Bochum erreicht: Die Theaterregisseurin und Performerin Stephanie van Batum ist im Alter von nur 34 Jahren gestorben, wie Deutschlandfunk berichtet. Nach ihrem Regiestudium an der Otto Falckenberg Schule wurde sie mit ihrer Abschlussinszenierung "Don´t Worry Be Yoncé" zum Festival "Radikal Jung" eingeladen; das Schauspielhaus Bochum nahm die Lecture Performance, in der van Batum selbst mitwirkte, 2018 ins Repertoire auf. Mit ihrer Inszenierung "PONY CAMP: Troilus und Cressida" gastierte sie unter anderem beim Shakespeare Festival in Neuss. Am Staatstheater Mainz inszeniert sie zuletzt 2021 "Der Widerspenstigen Zähmung".
Traurige Nachricht für Broadway-Fans: Der amerikanische Musical-Star Chris Peluso starb mit nur 40 Jahren "plötzlich und unerwartet", wie man bei GALA nachlesen kann. In den Broadway-Produktionen "Mamma mia!" und "Wicked" sorgte er für ständig ausverkaufte Häuser.