Welche Mindestgage bieten Sie Berufsanfänger*innen an?
Die seit Anfang des Jahres tariflich vorgeschriebene Mindestgage von 2.715 €. Und ab dem dritten Jahr 2.915 €.
Gibt es da noch Verhandlungsspielraum?
Bei den Mindestgagen nicht.
Wie sieht es bei den Gastgagen aus?
Die haben wir auch angepasst laut Tarifvertrag.
Berücksichtigen Sie Bewerbungen von Wiedereinsteiger*innen in den Beruf?
Prinzipiell ja. Ich gucke mir jede Bewerbung an, ich würde nie irgendjemanden prinzipiell ausschließen. Auch bei Anfängern gucke ich mir durchaus Bewerbungen von Privatschulen an. Ich gebe zu, man guckt ein bisschen genauer hin bei den staatlichen Schulen, aber nur bei den ersten zwei, drei Engagements, danach nicht.
Auf welchem Wege besetzen sie in der Regel Ihre Solovakanzen?
Ich arbeite eng mit der ZAV zusammen. Wenn es schon eine staatliche Struktur dafür gibt und Menschen, die sich damit beschäftigen, dann sollte man das auch in Anspruch nehmen. Und die Zusammenarbeit ist kontinuierlich besser geworden, je mehr ich sie nutze.
Bei Vorsprechen achte ich auf eine angenehme Atmosphäre. Eine gewisse Grundspannung ist ja immer da - im Übrigen auch auf der anderen Seite. Ich selber bin auch nicht völlig entspannt beim Vorsprechen, sondern gespannt und ein bisschen aufgeregt. Was aber gut ist, finde ich.
Ich versuche Zeit zu geben. Ich mache kein Vorsprechen unter einer Stunde. Ich finde, eine halbe Stunde ist keine Zeit, wenn jemand extra quer durch Deutschland fährt, um sich vorzustellen. Ich arbeite auch immer mit den Vorsprechenden. Manchmal verschicken wir sogar Texte vorher, und dann können wir damit arbeiten. Ich will ja die Leute kennenlernen.
Wie gehen Sie mit Initiativbewerbungen von Schauspieler*innen um?
Ich lese sie, und dann entscheide ich - je nachdem, ob und wie dringend wir gerade suchen - wie ich damit verfahre. Manchmal lege ich erst mal zur Seite und warte noch ein bisschen ab, bis sich ein paar angesammelt haben. Manchmal beantworte ich sofort, wenn ich weiß, wir suchen überhaupt niemanden. Und dann entscheide ich noch, ob ich die Bewerbung in mein persönliches Archiv lege für die Zukunft.
Wann ist der günstigste Bewerbungszeitraum bei ihnen? Wann sind die Vorsprechen?
Nach dem 31. Oktober nach den Nichtverlängerungen. Die Vorsprechen sind in der Regel ab Mitte November, Anfang Dezember, dann kurz vor Weihnachten nochmal ein paar und dann wieder Anfang Januar. Ich versuche immer, relativ schnell zu sein.
Gibt es generell bei Ihnen Ausschlusskriterien?
Wenn die Privatausbildung nicht mal an einer ordentlichen Schauspielschule war (Hier nennt Herr Fliegel einige Beispiele für gute private Schauspielschulen). Wenn jemand fünf Kurse besucht hat und einen Camera Acting Workshop in New York, ist das aus meiner Sicht keine vollumfängliche Schauspielausbildung.
Nehmen sie vorrangig Schauspieler*innen, die aus der Region Bremerhaven stammen?
Es ergibt sich ein bisschen. Initiativbewerbungen sind vielfach eher aus Norddeutschland. Prinzipiell ist es egal, wo die Leute herkommen.
Ist es nach Absprache möglich, auch zu drehen, wenn man bei Ihnen im Festengagement ist?
Auch da bin ich nicht dogmatisch. Das ist prinzipiell möglich, solange die Arbeitnehmerpflichten erfüllt werden. Wenn es geht, machen wir es möglich. Wenn es nicht geht, geht es halt nicht, dann geht natürlich der Betrieb vor. (Details im Audiofile)
Wird so etwas bereits bei Vertragsabschluss geregelt?
Nein. Ich würde immer sagen: Wenn der konkrete Fall da ist, dann gucken wir ihn uns an. Ich hatte noch niemanden, der das vorsorglich im Vertrag stehen haben wollte.
Wie sieht es bei Ihnen aus mit dem mit dem Mitspracherecht von Schauspieler*innen? Wie transparent gehen sie mit den Plänen für Ihr Ensemble um?
Ich würde von mir behaupten, sehr transparent. Wir haben eine große Offenheit hergestellt in den letzten zwei Jahren. (Hier berichtet Herr Fliegel ausführlicher und benennt konkrete Beispiele.)
Wie sieht für Sie ein klassisches Festengagement oder Erstengagement aus?
Typischerweise besteht dass darin, dass die Person, die wir engagieren, zwischen vier und sechs Premieren haben wird in der ersten Spielzeit - und dass definitiv große Aufgaben dabei sind. Wir sind nur zehn Feste im Ensemble. Also wer, wer eine vielfältige Spielpraxis sucht für seine Anfänger Jahre, der ist an einem kleinen/mittleren Haus meistens besser bedient als an einem ganz großen. (Noch mehr Details dazu im Audiomitschnitt.)
Wie soll die Bewerbung aussehen in Bezug auf die Fotos, das Anschreiben, das Format?
Lieber kurz und übersichtlich als blumig und ausführlich. Und man sollte im Anschreiben nichts behaupten, was nicht wirklich persönlich unterlegt ist (den Standardsatz "Ich finde Ihren Spielplan wahnsinnig interessant" etwa kann man sich sparen, denn das kann jeder recherchieren.) Wenn jemand einen persönlichen Bezug hat, soll er das natürlich gerne erwähnen, aber man sollte keine Dinge erfinden, die nicht wirklich stimmen. Je ehrlicher, direkter und offener man schreibt, desto ehrlicher, offener und direkter kommt es auch an. (Mehr Details im Audiomitschnitt.)
Was ist Ihnen bei den Fotos wichtig?
Fotos, die mir die Persönlichkeit nahebringen, interessieren mich zehnmal mehr als wahnsinnig teure, gestellte, produzierte Profifotos.
Was wünschen Sie sich von Bewerber*innen in Bezug auf das des Bewerbungsverhalten und was wünschen Sie sich nicht? Gibt es typische Bewerbungs"fehler", die Sie z.B. beim Vorpsrechen beobachten können?
Ein typischer Fehler ist übertriebene Höflichkeit. Wenn jemand fast schon unterwürfig wird, dann versuche ich immer zu beruhigen: "Das braucht ihr hier gar nicht. Wir können uns jetzt alle einfach entspannen und erst mal eine Runde miteinander reden." Ich würde gerade Berufsanfänger*innen raten, jedes Vorsprechen wahrzunehmen, denn das sind alles Trainingseinheiten. Ansonsten ist mir auch hier Offenheit und Ehrlichkeit wichtig. (Was Herrn Fliegel sonst noch wichtig ist, erzählt er ausführlicher im Audiomitschnitt.)
Legen Sie an Ihrem Theater Wert auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
Ja, auf jeden Fall. Es kann nicht sein, dass Theaterleute keine Familie gründen dürfen. Wir haben auch einige Ensemblemitglieder mit Kindern. (Mehr dazu im Audiomitschnitt.)
Ist Bewerber*innen der Ablauf des Bewerbungsverfahrens zu jeder Zeit transparent?
Ja. (Details im Audiomitschnitt.)
Falls man aus irgendeinem Grund keine Rückmeldung auf eine Bewerbung erhalten sollte - kann man dann nachfragen?
Absolut. Immer nachfragen!
Wer sitzt beim Vorsprechen im Auswahlgremium?
Ich als Spartenleiter für Schauspiel, eine Dramaturgin und unser Intendant, sofern er Zeit hat. Und wir haben jetzt zum ersten Mal getestet, wie es ist, wenn auch ein Kollege aus dem Ensemble dabei ist und wir an einer Zweierszene arbeiten.
Was ist Ihnen beim Vorsprechen wichtig? Worauf sollte man achten?
Was mir viel wichtiger ist als eine "kleine Inszenierung": dass man den Spielanlass der eigenen Figur geklärt hat. Warum erzählt meine Figur in dieser Sekunde genau diese Geschichte? Mich interessiert auch, wie die Kollegin/der Kollege reagiert auf einen Impuls von außen. Und da geht es nicht um richtig oder falsch. Es geht mir darum, eine Schauspielerpersönlichkeit kennenzulernen und ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob dieser Mensch der richtige ist für unser Ensemble. Der dritte Aspekt ist die menschliche Seite, denn wir verbringen viel Zeit miteinander. Ein guter Freund von mir hat mal gesagt: "Das Theater, in dem ich gerne arbeite, muss eine arschlochfreie Zone sein." Und das möchte ich auch. (Noch mehr zu Vorsprechen und Betriebsklima im Audiomitschnitt.)
Wie ist die Geschlechterverteilung bei Ihnen im Ensemble?
Sechs Männer und vier Frauen.
Spielen auch Diversitätsaspekte eine Rolle bei der Besetzung?
Eigentlich möchte ich am liebsten dahin kommen, dass die Diversität deswegen selbstverständlich ist, weil es egal ist, weil man einfach die Leute engagiert, mit denen man arbeiten möchte, ganz egal, wo sie herkommen. Und so gehe ich auch an Bewerbungen ran. Was ich nicht tue ist, Leute zu engagieren, nur damit ich mir auf die Fahne schreiben kann: Wir sind jetzt wahnsinnig divers. (Konkrete Beispiele im Audiomitschnitt.)
Ist bei Ihren Produktionen ein*e Intimitätskoordinator*in dabei?
Bisher nicht. Ich habe keinen Bedarf gehört aus dem Ensemble. (Im Audiofile gibt es einen längeren Austausch hierzu.)
Gibt es etwas, was sie Bewerber*innen an dieser Stelle noch mit auf den Weg geben möchten?
Das Bewerbungsverfahren sportlich zu sehen. Dass man auf der einen Seite natürlich die Stelle haben will, aber auf der anderen Seite auch sagen kann: "Okay, jetzt hat es nicht geklappt, dann gucke ich weiter und nehme die Erfahrung für mich mit. Was kann ich daraus lernen?" Meine eigene Selbstverpflichtung ist zu versuchen, dass jede*r Bewerber*in etwas mitnehmen kann - egal, wie wir uns entscheiden.
Nennen sie bitte die richtige Ansprechperson und Bewerbungsadresse.
Die Bewerbungsadresse ist immer die Schauspieldramaturgie bei uns, in diesem Fall: peter.fliegel@magistrat.bremerhaven.de
Auf unserer Website steht auch meine Durchwahl, falls man vorher anrufen möchte um zu erfragen, ob sich eine Bewerbung aktuell überhaupt lohnt.
Können Bewerber*innen auch eine Ansprechperson zur räumlichen Barrieresituation erreichen?
Den Fall hatten wir zwar noch nicht, aber dazu kann man die Intendanzassistentin Claudia McKenzie kontaktieren. Der Zugang zum Theater ist barrierefrei.