Dass aber ausgerechnet kurz vor Jahresende Hausverbote und außerordentliche Kündigungen in Leipzig und Naumburg als disziplinarische Maßnahmen der dienstgebenden Stellen entdeckt werden, deutet jedenfalls nicht auf Harmonie hin. Da geh ich doch lieber schnell in ein beliebiges Theater des Vertrauens und schaue genüsslich in "Hänsel und Gretel" (ja, alle Jahre wieder spielen es alle!) der Hexe beim Verbrennen zu.
Bringen wir - soweit es der juristische Powermove "laufendes Verfahren" erlaubt – etwas Licht ins Dunkel:
Am Schauspiel Leipzig haben die Schauspielerinnen Julia Preuß und Katharina Schmidt zum Oktober eine Nicht-Verlängerungsmitteilung zum Spielzeitende erhalten. Inzwischen wurden beide mit Hausverbot belegt. In Naumburg (Saale) erhielt wiederum der Schauspieler Antonio Gerolamo Fancellu eine fristlose Kündigung wegen Störung des Betriebsfriedens (wir berichteten). Seitdem wird es nicht ruhiger, in Leipzig gibt es eine öffentliche Erklärung:
"Wir - große Teile des Ensembles des Schauspiel Leipzig - erklären hiermit, dass wir hinter unseren Kolleginnen Katharina Schmidt und Julia Preuß stehen und dass wir zu keinem Zeitpunkt von ihnen zu Solidaritätsbekundungen mobilisiert wurden."
Der MDR berichtet ausführlich und stellt bei Anerkennung der künstlerischen und wirtschaftlichen Erfolge der Intendanz Lübbe die Frage, warum es zur Nichtverlängerung der beiden Schauspielerinnen kommen konnte, verweist auf den "Wertebasierten Verhaltenskodex" des Deutschen Bühnenvereins und resümiert: "Ein Intendant, der sein Ensemble nicht achtet, ginge wohl bald unter."
In der laufenden Woche hat die GDBA gemeinsam mit dem EnsembleBündnisBerlin ein Solidaritätsschreiben auf den Weg gebracht, in dem darauf gepocht wird, dass "ein legitimer Einsatz der NV-Solo-Beschäftigten für die Rechte der Arbeitnehmerschaft weder Kündigungsgrund sein, noch Hausverbote als Strafe nach sich ziehen darf."
Eine Wurzel für Unfrieden und Zerrüttung ist jedenfalls auch durch den dichten Nebel "laufender Verfahren" und "Betriebsinterna" identifizierbar: Die Nichtverlängerung aus "künstlerischen Gründen" wird als nicht transparent erachtet, ist selten qualitativ oder quantitativ überzeugend argumentierbar und öffnet der Interpretation gemeinter aber nicht gesagter Kündigungsgründe Tür und Tor, wie auch der NDR aufzeigt. Der misslungene Truthahn aus dem Weihnachtsfilm ist ein Klacks dagegen!
Schauspieler*innen und Publikum haben mittlerweile eine Petition ins Leben gerufen, die hier unterzeichnet werden kann.
Kulturausgaben 2020 massiv gestiegen
Sprechen wir kurz über Positives und ziehen finanzielles Resümee über das Jahr 2020 (ja, Statistik ist manchmal langsam!): Im ersten Corona-Jahr sind die Kulturausgaben deutschlandweit massiv gestiegen. 14,5 Milliarden Euro haben Bund, Länder und Gemeinden damals in die Kultur investiert, das waren 16% mehr als im Vorjahr. Ginge das so weiter, wäre das ein Grund zu wahrer Freude.
Nun, Künstler*innen sind nicht primäre Nutznießer*innen dieser Entwicklung, aber immerhin beschäftigt sich das Parlament mit der fairen Vergütung für ihre Arbeit. In der Anhörung betonte der Deutsche Kulturrat, dass die von der Kulturministerkonferenz der Länder vorgelegte Matrix für Basishonorare für künstlerische Leistungen eine große Chance seien, jetzt praktische Schritte bei der besseren Entlohnung von Künstlerinnen und Künstlern zu erreichen – dann mal los, liebe Parlamentarier*innen!
Greifswald: Keine Kohle fürs Theaterzelt
Und das war’s auch mit positiven finanziellen Nachrichten. In Greifswald gibt es nämlich ganz real keine Kohle, um das geplante Theaterzelt-Interim zu heizen. Die Bürgerschaft hat noch mal nachgerechnet, dass so ein Zelt ja beheizt werden muss - und ja, das ist gerade ziemlich teuer! Für besonderen künstlerischen Sachverstand der Politiker*innen spricht es nicht, eine solche Erkenntnis kurzfristig zu fällen und für Lösungen auf die „erfahrenen Handwerker“ des Theaters zu setzen. Stimmt, zynisch heißt dieses Wort…
Karrieremeldungen gibt es kurz vor Jahresende einige – und eine Frau darf sich auch auf die Übernahme einer renommierten Position freuen!
Lilli Paasikivi wird neue Intendantin bei den Bregenzer Festspielen. Derzeit ist sie noch künstlerische Leiterin der Oper in Oslo und wird sich bald entscheiden müssen, was 2026 auf der großen Seebühne zu sehen sein wird.
In finnische Hand kommt auch das zweitgrößte Orchester Frankreichs. Das Orchestre National du Capitole in Toulouse hat den Dirigenten Tarmo Peltokoski als neuen Musikdirektor verpflichtet. Er ist 22 Jahre alt.
Tobias Kratzer soll ab 2025 an der Hamburgischen Staatsoper als Intendant zeigen, "wie Oper im 21 Jahrhundert aussehen kann" (Carsten Brosda)...
...und der Dirigent Daniel Geiss wird neuer GMD in Neubrandenburg.
Todesurteil gegen Schauspieler Hossein Mohammadi
Blicken wir uns einmal globaler um: Im Iran ist offenbar ein Todesurteil gegen den Schauspieler Hossein Mohammadi ausgesprochen worden. Die Informationslage ist unklar, aber sehr ernst zu nehmen. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte ruft dazu auf, sich an das Regime im Iran zu wenden.