Wochenrückblick #7/23

Hundekot und Hausverbot

Veröffentlicht am 17. Feb 2023

Now whoooo&acute;s a good boy? Wir wissen es nicht, aber Marco Goecke steht momentan definitiv nicht ganz oben auf der Rangliste. (Foto von <a href="https://unsplash.com/de/fotos/Ln3upC7iFe0" target="_blank" rel="noopener">Karsten Winegeart auf Unsplash</a>) © Now whoooo´s a good boy? Wir wissen es nicht, aber Marco Goecke steht momentan definitiv nicht ganz oben auf der Rangliste. (Foto von Karsten Winegeart auf Unsplash) © Now whoooo´s a good boy? Wir wissen es nicht, aber Marco Goecke steht momentan definitiv nicht ganz oben auf der Rangliste. (Foto von Karsten Winegeart auf Unsplash)
Wochenrückblick #7/23

Hundekot und Hausverbot

Veröffentlicht am 17. Feb 2023

Ein renommierter Choreograph wirft mit Fäkalien um sich und bekommt dafür die Quittung, ein rausgeschmissener Schauspieler geht erst zum Rundfunk und dann vor Gericht und der Deutsche Bühnenverein erklärt den Publikumsschwund kurzerhand zum PublikumsSCHWAND - nicht ohne dafür konstruktive Kritik zu ernten.

Shit happens - oder auf Deutsch: "absolut nicht gutzuheißende Aktion"

An der Staatsoper Hannover wurde die Tanzkritikerin Wiebke Hüster am Rande einer Ballettpremiere von Marco Goecke, Chefchoreograph und Direktor des Staatsballetts Hannover, verbal und physisch attackiert. Goecke hatte sich anscheinend durch die Rezension der Kritikerin zu seinem Ballettabend "In the Dutch Mountains" provoziert gefühlt und drohte Hüster gegenüber zunächst mit Hausverbot und warf ihr vor, für Abokündigungen in Hannover verantwortlich zu sein. Anschließend traktierte er das Gesicht der Kritikerin mit Tierkot, den er in einer Papiertüte dabei hatte. Hüster erstattete Anzeige, der Deutsche Journalistenbund bewertetet die Tat auch als Angriff auf die Pressefreiheit.

Mittlerweile hat das Staatstheater Hannover den Vertrag mit Goecke aufgelöst. Eine vertrauensvolle Arbeit in Zukunft sei nach dem Übergriff nur schwer vorstellbar, teilte Opernintendantin Laura Berman beim Pressetermin in Hannover mit. Darüber, ob Goecke eine Abfindung erhält, äußerte sich Berman nicht.

Bis Sommer 2024 übernimmt der stellvertretende Direktor Christian Blossfeld die Leitung des Ballettensembles. Goecke entschuldigte sich bei Hüster in einer Stellungnahme, Hüster nahm die Entschuldigung jedoch nicht an.

Publikumsschwund? Schnee von gestern, sagt der Bühnenverein!

Das Publikum kehrt zurück in Theater- und Konzertsäle, wie der Deutsche Bühnenverein verlauten lässt: Einer Umfrage zufolge, die der Verband mit seinen Mitgliedsbühnen zur Entwicklung der Besuchszahlen gemacht hat, sei die Zahl der Zuschauer*innen seit November wieder deutlich gestiegen, nach einem etwas verhalteneren Start in die Spielzeit 2022/23.

Von den 311 Mitgliedsbühnen haben sich allerdings lediglich 131 Häuser aus allen Bundesländern an der Umfrage beteiligt.

Neben den Besuchszahlen wurde auch die Anzahl der Vorstellungen erfragt. Diese stiegen von durchschnittlich 4.000 Besucher*innen im Januar 2022 auf etwa 17.000 Besucher*innen im Dezember 2022. Auch die Anzahl der Vorstellungen hat sich seit Spielzeitbeginn um rund 38 Prozent erhöht. Die durchschnittliche Auslastung der Häuser stieg damit von 67 Prozent im September auf 80 Prozent im Dezember an.

Andererseits...

Spannend im Zusammenhang mit den Umfrageergebnissen ist auch ein Blog-Artikel von Rainer Glaap, der nicht nur auf die geringe Beteiligung hinweist (nur knapp mehr als ein Drittel der Berfragten), sondern auch darauf, dass November und Dezember die stets gut gehende Monate der Weihnachtsstücke sind. Wenn die Theater bei diesen Stücken eine hohe Auslastung haben, wirke sich das positiv auf die Besuchszahl aus, habe allerdings keine Aussagekraft hinsichtlich der Auslastung anderer Produktionen. Spannend wäre vielmehr die Entwicklung des Ticketpreises, so Glaap. Er kritisiert zudem, der Bühnenverein gehe in seiner Umfrage nicht auf die vielerorts sinkenden Abozahlen ein.

Außerdem müsse die Auslastung differenzierter betrachtet werden: Beispielsweise würden immer noch Häuser bei schlechter Auslastung Plätze komplett sperren. Die Auslastung berechne sich dann "oft auf der Zahl der freigegebenen, nicht auf der Basis der vorhandenen Plätze". In dem Fall wären die Prozentzahlen also irreführend.

Selbstverständlich sei die Entwicklung durchaus eine positive, dennoch sei ein aussagekräftiges Ergebnis erst ablesbar, wenn man die Zahlen bis zur Spielzeit 2018/19 rückwirkend mit einbeziehen würde zum Vergleich.

Fancellu kämpft weiter gegen Kündigung und Hausverbot

Im November letzten Jahres wurde der Schauspieler Antonio Gerolamo Fancellu vom Theater Naumburg fristlos entlassen und mit einem Hausverbot belegt (wir berichteten, u.a. hier). Fancellu hatte in Naumburg eine Lokalgewerkschaft der Bühnenangehörigen gegründet, Intendant Stefan Neugebauer warf Fancellu u.a. "Störung des Betriebsfriedens" vor. Nachdem Neugebauer bereits im vergangenen Dezember von Deutschlandfunk Kultur zur Thematik befragt wurde, schildert nun der Schauspieler dem Sender gegenüber seine Sicht der Dinge.

Fancellu hat beim Bühnenschiedsgericht Chemnitz Klage eingereicht, Mitte März soll die Verhandlung stattfinden. Fancellus Ziele sind seine Wiedereinstellung und einen Dialog zwischen Theatermitarbeiter*innen und der Intendanz zu finden. Außerdem wünscht er sich, dass die Nichtverlängerung von Schauspieler*innen aus künstlerischen Gründen generell abgeschafft wird.

Diesem Vorschlag steht jedoch Claudia Schmitz, geschäftsführende Direktorin des Deutschen Bühnenvereins, kritisch gegenüber. Die künstlerische Freiheit müsse erhalten bleiben, außerdem gebe es auch keinen entsprechenden "Trend in diese Richtung". Intendant Stefan Neugebauer lehnte die Anfrage auf ein weiteres Interview ab, so Deutschlandfunk Kultur.

Abschied

Schauspieler und Regisseur Friedo Solter ist am 14. Februar im Alter von 90 Jahren verstorben. Nach seinem Schauspielstudium war er in Senftenberg und Meiningen engagiert, wo er als erster "Mackie Messer" der DDR auf der Bühne stand. 1959 kam Solter ans Deutsche Theater Berlin, wo er über 40 Jahre lang tätig war. Von 1984 bis 1991 war er künstlerischer Leiter und Chefdramaturg des Theaters. Solter war u.a. Gast am Schauspiel Bonn und inszenierte in Göttingen und Ingolstadt. Zudem war er Schauspieldozent an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch", wo er zu den Begründern des Instituts für Schauspielregie gehörte. Weiteres bei nachtkritik.

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