Machtmissbrauch, da war doch was?
Konsens vermutlich, dass bestimmte Strukturen im Theater dafür ziemlich förderlich sind, aber auch andere Branchen lassen sich nicht lumpen. Ein lupenreines Beispiel liefert gerade beispielsweise die Politik in Österreich – und Burgtheater und der Standard haben daraus ein beklemmendes Stück Lesebühne gemacht. Sechs Schauspieler*innen lesen Ausschnitte aus den Chats der Causa Kurz, die der Staatsanwaltschaft auch als Ausgangspunkt für die Ermittlungen gegen die Beschuldigten dienen. Wer knappe 20 Minuten Zeit hat, kann ein wahres Lehrstück hören und sehen, das einem irgendwie schief im Hals stecken bleibt.
Und im Theaterbetrieb?
Wird sich hier und da gerade mächtig Mühe gegeben, die Strukturen hinter sich zu lassen, die absolutistische Machtfülle auf einer Person vereinigen. Ok, nicht überall. Am Theater Regensburg - wir berichteten bereits - z.B. ist es gerade ziemlich unruhig, denn hier will der designierte Intendant, Sebastian Ritschel, in relativ großem Umfang von seinem Recht auf Nichtverlängerung künstlerischer Verträge Gebrauch machen. Das Ensemble macht nun seinem Frust – vor allem auch in Hinblick auf fehlende Auftritts- und damit Präsentationsmöglichkeiten während der Pandemie – Luft:
"Nichtverlängerungen sind auch vor diesem Hintergrund zu bewerten und nicht mit zynischer Romantik à la 'Die Gaukler brauchen wieder frischen Wind um die Nase' abzutun. Wir stellen ebenfalls nicht die Zeitverträge am Theater in Frage, sondern die Praxis, wie der 'Nichtverlängerungsgrund Intendantenwechsel' gelebt wird."
Macht auf mehrere Schultern verteilt
In Coburg hingegen wird das Intendanz- durch ein Direktor*innenmodell abgelöst. Ab August 2023 sollen der Kaufmännische Direktor gemeinsam mit den künstlerischen Spartendirektoren im Orchester, im Ballett und im Schauspiel die Theaterleitung ausüben. Das macht, das Macht wenigstens auf mehrere Schultern verteilt wird und so mindestens ein wenig in den Dialog gegangen werden muss über Entscheidungen, auch solche über Personal.
Und die Volksbühne? Da behauptet René Pollesch im Podcast von DLF und nachtkritik tapfer, dass er gar nicht weiß, was Intendanz heißt, dass er gar nicht wüsste, was dann seine Aufgabe sei – und freut sich über den Start mit seinem Theaterkollektiv.
AfD in den Kulturausschuss? Error.
Macht wird gerade auch im großen Umfang im Bundestag vergeben. Und ganz jenseits von Instagram-Selfies und Filter-Interpretationen wird es auch in der Verteilung der Ausschuss-Vorsitze ganz handfest. Schon 2018 hatte die AfD deutlich Interesse an dem Vorsitz des Kulturausschusses angemeldet, der Deutsche Kulturrat wies bereits damals darauf hin: "Der Ausschuss für Kultur und Medien trägt im Parlament eine besondere Verantwortung für die Kunst- und Medienfreiheit sowie die Erinnerungskultur". Und natürlich gilt auch heute wieder, dass diese Aufgaben in den Händen einer Partei, die gerichtlich verbrieft als "rechtsextremistisch" bezeichnet werden darf, sicherlich nicht gut aufgehoben wäre.
"Diversitätsbericht Kultur": Migrantische Communities deutlich unterrepräsentiert
Um Macht(verteilung) im Kulturbereich geht es auch in dem großen, soeben veröffentlichten "Diversitätsbericht Kultur" der Initiative Kulturelle Integration, die Unterrepräsentation etwa migrantischer Communities deutlich aufzeigt und in der auch manifest wird, dass Frauen mit 64% auffällig stark repräsentiert sind – wenn auch nicht überproportional in Führungspositionen…
So. Schluss mit Macht. Jedenfalls als großes Klammerthema.
Seit dem Tod von Pina Bausch hatte das Tanztheater in Wuppertal eine meist eher unruhige Zeit. Nun wurde mit Boris Charmatz ein neuer Intendant für das renommierte Haus gewählt, der laut Einschätzung der Findungskomission alles mitbringt, was für einen Zukunftsprozess erforderlich ist: "Mut und eine starke künstlerische Arbeit, in der er sich immer wieder neu erfindet."
Mavie Hörbiger ist zur "Österreicherin des Jahres" in der Kategorie "Kulturerbe" ernannt worden und nutzte diese Auszeichnung für einen flammenden Appell, nicht nur die Zeit des Nationalsozialismus nicht zu vergessen, sondern sich "aktiv, entschlossen, klar und wissend gegen die [zu] wenden, die Kultur und Erbe umzudeuten versuchen. Gegen Rechtspopulisten, gegen Verschwörungstheoretiker, gegen Coronaleugner, gegen Rassisten, gegen Chauvinisten, gegen Demagogen und Simplifizierer."
Der Verein "art but fair Deutschland" heißt jetzt "art but fair international". Der Gründer und langjährige Vorstandsvorsitzende Johannes Maria Schatz trat nicht mehr zur Wahl an, stattdessen wurde ein Gremium von vier Personen neu gewählt, die nun die Geschicke des Vereins gemeinschaftlich lenken werden: Stefanie Frauwallner, Stephanie Gräve, Erwin Aljukic und Daniel Ris.
Abschied
In dieser Woche sind große Stimmen verstummt, prägende Gestalten von der Bühne des Lebens getreten. Wir erinnern an die "slowakische Nachtigall", die "Königin der Koloratur", die große Edita Gruberová.
Wir gedenken dem grandiosen "Leuchtturm der Musikwelt", Maestro Bernhard Haitink.
Auch Udo Zimmermann, Komponist und Intendant, Gründer des Europäischen Zentrums der Künste in Hellerau ist diese Woche nach langer Krankheit verstorben.