Nachdem wir in den letzten Wochenrückblicken die 2G-bis-3G+-Arithmetik aus verschiedensten Häusern zusammengetragen haben, tut dies diese Woche freundlicherweise die SZ in einem sehr ausführlichen Artikel.
Mit oder ohne Test? Mit oder ohne Maske? Mit oder ohne Schachbrett? Und vor allem mit oder ohne Alkohol?
Und "überall die gleiche Frage: Was wollen und fürchten denn nun eigentlich die Zuschauer?" Und warum kommen sie nur so langsam zurück? Eher wegen Ansteckungsangst oder wegen Maskenpflicht? Und wie geht es an den Häusern finanziell weiter?
Genau das ist auch die Frage, die die niedersächsischen Theater laut und deutlich in der Aktion #rettedeintheater stellen, über die Deutschlandfunk Kultur berichtet. Das Staatstheater Hannover und die kommunalen Theater in Niedersachsen protestieren gegen geplante drastische Haushaltskürzungen, die unter anderem vorsehen, die Tariferhöhungen in den Theatern bis 2025 nicht zu übernehmen.
Auch und gerade für nicht-festangestellte darstellende Künstler*innen bleibt die finanzielle Situation schwierig. Ein Hilfsinstrument ist die Spendenaktion "Miete zahlen in Zeiten von Corona" des ensemble-netzwerks, über die wir bereits berichteten. Sie ging jetzt in die sechste Runde. Die Bewerbungsfrist ist der 15. November.
Während sich also viele fragen, wie und wo es weitergeht, ist diese Frage am Münchner Volkstheater beantwortet. Der BR24 berichtet in seinem Artikel über den Theaterneubau im Schlachthof.
So weit ist man in Nürnberg noch nicht:
Dort soll auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände der Nazis in einem nie fertiggestellten Monumentalbau die Ausweichspielstätte für die Zeit der Sanierung des Opernhauses entstehen. Aus dem Artikel von BR24 geht hervor, dass es sogar noch weitreichendere Ideen für ein Konzerthaus auf dem Areal gibt.
Um Neubauten geht es in Kassel zwar nicht, aber nichtsdestotrotz um neue Räume. In einem lesenswerten Artikel schreibt die SZ über die neue, ungewöhnliche und längerfristig eingesetzte Raumbühne am Staatstheater und sieht darin eine Zukunftsperspektive für das Musiktheater: "Der Komponist und Dirigent Pierre Boulez empfahl einst, die Opernhäuser zu sprengen. Muss man nicht. Man kann sie auch einfach umkrempeln."
Umkrempeln... da ist es doch zum Thema "Diversität im Theater" nicht weit. (Hach, Überleitungen, na ja... Manchmal sind sie ganz offensichtlich... offensichtlich... sichtbar... et voilà!)
Unter dem Hashtag #Sichtbarkeit 47+ startete das Internetportal Palais Fluxx eine Social Media Kampagne mit Schauspielerinnen über 47 Jahre. Ausgangspunkt der Aktion ist eine Statistik, die besagt, dass unter 100 Akteur*innen im deutschen Fernsehen über 48 Jahre nur 27% weiblich sind.
Das Thema Diversität hat sich auch das Theater Rampe bei der Suche nach einer neuen Intendanz groß auf die Fahne geschrieben. Insgesamt geht das Stuttgarter Theater neue Wege. Auf der Homepage des Theaters heißt es: "Diese Ausschreibung ist Teil eines zweijährigen interkulturellen Qualifizierungsprozesses. Die Suche nach einer neuen Theaterleitung wird als ein Modellprojekt umgesetzt, in dem das Besetzungsverfahren auf Zugänge, Teilhabe und Diversität hinterfragt und ausgewertet wird." Zudem findet vom 21.-23.10. eine öffentliche Diskussion zum Leitungswechsel statt.
Eine andere Diskussion zum Thema Theaterleitung gibt es gerade in Regensburg. Dort attackiert die Stadtratsfraktion Brücke den neuen Theaterintendanten Sebastian Ritschel scharf, wie das Portal regensburg-digital berichtet. Im Zentrum der Vorwürfe steht die Kündigung von angeblich 40 Künstlerinnen und Künstlern im Zuge des Intendantenwechsels. Die Vorsitzende der Theaterfreunde Regensburg Uschi Michalke wird wie folgt zitiert: "Wir bedauern das sehr, aber wir wissen, das ist die Theaterwelt. Der härteste Job der Welt." Und weiter heißt es in dem Artikel: "Ein Intendant habe schließlich die Aufgabe, das Theater zu beleben und auch weiterzuentwickeln."
Steckt nicht schon in diesen Sätzen das ganze Dilemma eines reformbedürftigen Theaterleitungssystems?
In diese Richtung gehen auch die Aussagen des kaufmännischen Direktors des Theaters Regensburg Dr. Matthias Schloderer, der die Vorwürfe als grundsätzliche Kritik am System versteht und sie - wie auch die Regensburger Oberbürgermeisterin - gerne an den Deutschen Bühnenverein weiterreichen würde.
Da trifft es sich doch gut, dass der Deutsche Bühnenverein am 28. Oktober in Hamburg seine Jahreshauptversammlung abhalten wird, wie aus einer Pressemitteilung hervorgeht, und dass es dabei um "die weitere Entwicklung von Leitlinien für ein Theater und Orchester der Zukunft" gehen soll.
"Arbeitsrealitäten von Solo-Selbständigen und Hybrid-Beschäftigten"
Von einer anderen Warte aus beleuchtet das Forschungsprojekt "Systemcheck" die Arbeitsbedingungen in der Theaterwelt. Wie es in der Pressemitteilung des Bundesverband Freie Darstellende Künste heißt, sollen über einen Zeitraum von drei Jahren in Studien, Workshops und Konferenzen die "Arbeitsrealitäten von Solo-Selbständigen und Hybrid-Beschäftigten" untersucht werden.
BFDK-Geschäftsführer Helge-Björn Meyer wird in der Mitteilung mit folgenden Aussagen zitiert: "Wie in den freien darstellenden Künsten gearbeitet wird, scheint als Zukunft der Arbeit zu taugen. Flexible Arbeitszeiten, hybride Erwerbsverhältnisse, projektbezogenes Arbeiten, wechselnde Konstellationen der Auftraggeber*innen – so sieht die Prognose für das zukünftige Arbeiten aus. Nicht zukunftsfähig ist jedoch diese Arbeitsrealität in den freien darstellenden Künsten in Bezug auf das Geld und auf die soziale Sicherung."
Und weiter geht es mit dem Rund-Um-Blick, was die Verbände so tun. (Während dieser Artikel länger wird, wird es später, die Überleitungen werden holpriger...)
Die Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen INTHEGA traf sich in der vergangenen Woche in Bielefeld. Dabei fand unter anderem der Theatermarkt statt, auf dem Künstler*innen und Gruppen ihre Gastspiele anbieten können. Der Hörbeitrag von WDR5 gibt einen guten Eindruck von der Veranstaltung.
Im Zuge des INTHEGA-Treffens wurden auch Preise verliehen, wie nachtkritik berichtet. Der Ehrenpreis, mit dem in diesem Jahr aus Coronagründen nicht wie sonst üblich Produktionen im Gastspieltheater gewürdigt wurden, ging an Kulturstaatsministerin Monika Grütters für ihren Kampf um Hilfsgelder für die Kultur. Zudem wurden Birgit und Joachim Landgraf für ihr Lebenswerk mit einem Sonderpreis ausgezeichnet und das Ensemble United Puppets aus Berlin mit dem Kinder-und-Jugendtheaterpreis.
Preise wurden in der vergangenen Woche überhaupt zuhauf verliehen.
Thalia-Intendant Joachim Lux erhielt in St. Petersburg den Baltic Star International Award. Verliehen wurde Lux die Auszeichnung für "besondere Verdienste um die Entwicklung und Konsolidierung humanitärer Beziehungen in der Baltischen Region", wie die SZ schreibt.
Die Schauspielerin Nicole Heesters erhielt für ihr Lebenswerk den Deutschen Theaterpreis Faust, wie Deutschlandfunk Kultur meldet.
Den ersten Europäischen Dramatiker*innenpreis des Schauspiel Stuttgart erhielt der Regisseur und Autor Wajdi Mouawad. Der Nachwuchspreis ging an Jasmine Lee-Jones, wie auf der Seite des SWR nachzulesen ist.
Für den Wiener Theaterpreis Nestroy wurden in der letzten Woche die Nominierten bekannt gegeben, deren Namen auf der Homepage nachzulesen sind. Bereits gefallen sind die Entscheidungen über den Autor*innenpreis, der an Maria Svolikova für ihr Stück "Rand" geht, und über den Preis an Elfriede Jelinek für ihr Lebenswerk.
Die Berliner Festspiele haben derweil die Jury für den nächsten Internationalen Stückemarkt bekanntgegeben, berichtet nachtkritik. Bis zum 17. November können sich Einzelpersonen und Gruppen bewerben, die "im Sinne eines erweiterten Begriffs von Autor:innenschaft neue Narrationen und Perspektiven aufzeigen sowie innovative, weltenerzeugende Sprachen entwickeln". Das Motto der Ausschreibung lautet: "Was ist (uns) die Zukunft wert?"
Mein alter Schauspiellehrer hat immer gesagt: "Du musst Brüche spielen. Übergänge gibt es nur in den Alpen". In diesem Sinne...
Ein russisches Filmteam ist mit einer Rakete zur ISS geflogen, um "nochmals zu beweisen, dass wir die Besten sind." So hat es der Kommandeur der Rakete tatsächlich gesagt, wie die Tagesschau berichtet.
Ach so, ein Film soll im Zuge der Beweisführung natürlich auch gedreht werden, und zwar der erste Kinofilm, der ausschließlich im Weltall gedreht wird. Tragische Nachrichten für Tom Cruise, der eigentlich diese Premiere für sich beanspruchen wollte und sich nun mit dem zweiten Platz begnügen muss, wie kinoundco schreibt. Der russische Film soll übrigens vor allem eins tun: Den Weltraumtourismus fördern.
Darüber kann Captain Kirk nur lachen. Der war nämlich schon im All. Nee, echt jetzt! Also, der echte Kirk: William Shatner, Zehn Minuten lang, und zwar – natürlich – als Weltraumtourist mit der zweiten Freizeit-Enterprise von Jeff Bezos, die in der vergangenen Woche unterwegs war. Auch darüber berichtet die Tagesschau. Außergewöhnlich soll es gewesen sein.
Mir scheint, ich habe den Faden der deutschen Theaterlandschaft verloren. Nun also zurück vom neuzigjährigen Shatner, der damit nebenbei zum ältesten Menschen im Weltraum wurde, zu zwei siebzigjährigen Geburtstagen.
Christoph Marthaler feiert den seinen am 17. Oktober. Die Stuttgarter Nachrichten widmen ihm und seinem Stil einen Geburtstagsgruß.
Das gleichaltrige Ernst Deutsch Theater feiert der NDR mit einem Klönschnack mit der Intendantin und drei langjährigen Abonnent*innen.
Verstorben ist im Alter von 79 Jahren die Verlegerin Krista Jussenhoven, wie nachtkritik erfuhr. Sie leitete früher den S.-Fischer-Verlag und bis zu ihrem Tod den Theaterverlag Jussenhoven & Fischer, in dem unter anderem Bücher von Tom Stoppard und David Mamet erschienen. Jussenhoven war für die Erstübersetzungen von Werken von Pierre Corneille und Eugène Labiche verantwortlich.