Corona-Rückblick

Fünf Jahre erster Lockdown: "This will be aua Year"

Veröffentlicht am 27. Mär 2025

Geschlossenes Café 2020, Foto: Karen Suender © Geschlossenes Café 2020, Foto: Karen Suender © Geschlossenes Café 2020, Foto: Karen Suender
Corona-Rückblick

Fünf Jahre erster Lockdown: "This will be aua Year"

Veröffentlicht am 27. Mär 2025

Wie war das noch gleich damals, als die Erde stillstand? Der Mensch vergisst ja so schnell.

Kaum etwas ist so mies gealtert wie die Glückwünsche zum Jahreswechsel 2019/20. Ich zum Beispiel habe in der Silvesternacht meinem besten Freund getextet: "Nächstes Jahr wird alles besser!!!" und das Video zu "This will be our Year" von den "Zombies" (ausgerechnet!) hinterhergeschickt.

Tja. Little did we know, sag ich mal.

Es hat einen ungewollt prophetischen Anstrich, dass Theapolis zum Jahresbeginn 2020 ausnahmsweise mal keinen "Das ändert sich dieses Jahr"-Artikel veröffentlicht hat. Den hätten wir ohnehin nur wenige Wochen später dem Museum stiften können. Die Dinge änderten sich so rasant, dass man mit dem Tippen kaum hinterher kam: Anfang Januar 2020 war COVID-19 hierzulande noch eher eine abstrakte Meldung als eine konkrete Bedrohung, bereits am 27. Januar wurde der erste Fall einer Infektion in Bayern bestätigt, am 22. März verhängte die Bundesregierung den ersten Lockdown, am 25. März stellte der Bundestag eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ fest. Boing.

Das ist jetzt fünf Jahre her. Ein langer Zeitraum, so betrachtet: In fünf Jahren Amtszeit kann ein Bundespräsident ziemlich viele Hände schütteln und Verdienstkreuze anheften. Man kann in dieser Zeit ein Bachelorstudium absolvieren – und den Master noch dazu. Ein Kind, das im ersten Lockdown gezeugt wurde, ist heute in der schönsten Trotzphase, zählt bis 10 und versteht um die 3.000 Wörter. Zum Beispiel "Quarantäne".

"Dies ist meine erste Pandemie, ich übe noch!"

Andererseits – fünf Jahre? Das war aber doch alles gerade erst, wo zum Henker ist die Zeit geblieben? Unsere Spezies neigt ja dazu, mit leicht amüsierter Arroganz auf die Unbeschlagenheit vorangegangener Generationen herabzusehen: "Putzig, wie dumm die damals waren, haben ernsthaft geglaubt, man wird vom Masturbieren blind, haha, hihi – usw. usf."  Aber, ehrlich gesagt: Wenn ich heute auf mich zu Anfang der Pandemie zurückblicke, was ja nur eine vergleichsweise knappe Zeitspanne ist, denke ich auch manchmal: "Himmel, war ich doof!" Auf so viel Unbekanntes musste man sich in kürzester Zeit einstellen, so viel musste man lernen, verstehen, sich irren, wieder verwerfen und neu lernen. Es war nun mal ein kompletter Ausnahmezustand. Frei nach Loriot: "Dies ist meine erste Pandemie, ich übe noch!"

Im ersten Lockdown waren die meisten noch relativ zuversichtlich, genossen sogar die "Entschleunigung", die leeren Straßen, die wieder erwachende Natur (ganz großes Thema damals: der verringerte CO2-Ausstoß und die klaren Kanäle von Venedig, hach ja!). Wir beeumelten uns über Klopapierwitze, Hamsterkäufe, gutgelaunte Corona-Mariachi auf YouTube und Memes, Memes, Memes. Wir klatschten beherzt von Balkonen und musizierten in Hinterhöfen. US-Promis sangen uns in selbstreferentieller Besinnlichkeit aus ihren Luxusvillen entgegen und Big-Brother-Insass*innen aus ihrem Container. Aua. Aber naja – jeder tut, so viel er kann, nur nicht seinen Nebenmann (oder so ähnlich).

Hinein ins Rabbit Hole "Corona"!

Gerade weil so viel auf einmal passiert ist, und vielleicht weil unser Hirn froh ist, sich damit nicht mehr täglich beschäftigen zu müssen, ist vieles schnell in den Schlund des Vergessens gerutscht. Abstandsregeln, Aerosole, Inzidenzen, 1G, 2G, 3G, 3G+, AHA, FFP2 – hä? Wie war das noch?

Die Suchfunktion auf Theapolis eignet sich ganz hervorragend, um nochmal richtig schön im Rabbit Hole "Corona" zu verschwinden und Gedächtnislücken wieder aufzufüllen. Los geht´s, eine kleine Auswahl:

  • Am 1. März 2020 wird das Corona-Virus zum ersten Mal im Theapolis-Wochenrückblick erwähnt, als "Antagonist der Woche". Von da an fehlt es für lange Zeit in keinem Rückblick mehr. (Hier findest Du alle Wochenrückblicke des Jahres 2020.)
  • Am 22. März 2020 beginnt der erste Lockdown. Auf Theapolis erscheinen ab da insgesamt 13 Artikel mit dem Stichwort "Lockdown", der letzte am 20. Nov 2021. “Flatten the curve“ ist das Motto der Stunde.
  • Trotz der Schließungen und Vorstellungsausfälle bemühen sich viele Theater – wie etwa das Theater Hof – auch ihren Gastkünstler*innen die volle Gagen auszuzahlen, oder zumindest den größten Teil. Auch in den KIBA-Interviews von 2020 ist die Bezahlung der Gäst*innen immer wieder Thema.
  • In den Kostümabteilungen vieler Theater werden im Akkord Stoffmasken genäht (ja, genau, da war mal was, noch vor den OP-Masken und vor FFP2).
  • Schnell werden Möglichkeiten gefunden, Vorstellungen im Stream zu zeigen, das Publikum genießt nicht nur den "Hamlet" jetzt zusammengekuschelt auf dem heimischen Sofa.
  • Geprobt wird mitunter mit Darth-Vader-ähnlichen Schutzhelmen und Abstandshaltern, Disponent*innen werden zu Generalobertestkoordinationssachverständigen.
  • Bei der Aktion „Night of Light“ strahlen Theater und Veranstaltungshäuser in ganz Deutschland ihre Fassade rot an, um damit auf die schwierige Lage der Eventbranche in der aktuellen Situation aufmerksam zu machen.
  • Es gründen sich Gruppen auf Social Media, in denen Kulturschaffende sich vernetzen und gegeseitig unterstützen können ("Kultur in zeiten von Corona" hieß eine, heute heißt sie "Kultur in Zeiten Nach-Covid"). Überhaupt herrscht viel Solidarität, man will diejenigen im Blick behalten, denen es schlechter geht als uns, beispielsweise im Rahmen der Aktion „Miete zahlen in Zeiten von Corona“ des "Aktionsbündnis Darstellende Künste". 
  • Kreativität und Lösungsorientiertheit ist jetzt wichtig, auch auf Theapolis. Wir fragen uns: Was können wir am besten für unsere Mitglieder tun, jetzt, wo der Stellenmarkt mehr oder weniger verwaist? Richtig: Die Kolleg*innen ein wenig auffangen in der schwierigen Zeit und mit Informationen versorgen, wie sie sich jetzt finanziell über Wasser halten können. Am 17. März erscheint unser erster Corona-Ratgeber. Ihm folgen 13 weitere bis zum 10. August 2021.
  • Wir beschäftigen uns viel mit den staatlichen Coronahilfen, aber auch mit Kurzarbeit  und Systemrelevanz - auch so ein Wort, das seitdem notgedrungen in unserem aktiven Sprachschatz existiert.
  • Im Lockdown entsteht auch die Idee zur Theapolis-Kantine. Wir wollen einen Ort schaffen, wo sich Theaterleute trotz geschlossener Spielstätten weiterhin austauschen können – und zwar online. Die erste Kantine eröffnet schließlich am 06. März 2021 und wird ein voller Erfolg. Bald darauf findet auch die erste Kantine SPEZIAL statt, ein Weiterbildungsformat, in dem Theapolis-Mitglieder Expert*innen zu speziellen Themen befragen können und das bis heute aus unserem Programm nicht mehr wegzudenken ist. Hier kannst Du nachsehen, mit welchen Themen wir uns dabei bisher beschäftigt haben.

Insgesamt 72 News mit dem Stichwort "Corona" sind auf Theapolis erschienen, die letzte am 21. Jun 2024. Vier News enthalten das Stichwort "Covid", die letzte erschien am 31. Jan 2022, die letzte von 24 News mit dem Stichwort "Pandemie" am 23. Sep 2023.

Zusammenhalt, Solidarität, ein gutes Netzwerk und Kreativität

Wir können Krisen nicht vermeiden. Auch die Pandemie hat Spuren hinterlassen, an denen wir uns noch heute abarbeiten. Aber nimmt man sich einmal die Zeit, all diese alten Meldungen durchzuscrollen, bleibt doch ein Gefühl von: Es wurde ganz schön viel in ziemlich kurzer Zeit auf die Beine gestellt, um den Laden am Laufen zu halten. Und: Zusammenhalt hilft. Solidarität hilft. Ein gutes Netzwerk hilft. Kreativität hilft. Außerdem: Die Zahlen in der aktuellen Theaterstatistik stimmen vorsichtig optimistisch. Letztlich kommt es doch darauf an, aus Krisen zu lernen – und weiterzumachen.

Sind wir heute, fünf Jahre nach dem ersten Lockdown, klüger? Immerhin wissen wir jetzt alle, wie man einen Nasenabstrich macht, wie viele "Happy Birthday" man beim Händewaschen singen muss und dass korrektes Niesen in der Armbeuge stattzufinden hat. Oder? Vielleicht auch nicht. Weil – ich weiß nicht, ob ich´s schon erwähnt hatte: Der Mensch vergisst ja so schnell.


Auch das gehörte zur Pandemie: Lustige Aushänge an Schaufenstern, wie hier am Antiquariat "Bücherhalle" in Berlin-Schöneberg 2020 (c) Karen Suender

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