Gehören schlechte Nachrichten ab jetzt dauerhaft zu unserem Alltag?
Die meisten Theater sind inzwischen aus der Sommerpause zurück, öffnen ihre Türen und den Sektausschank im Foyer, feiern rauschende Premierenpartys - während Inflation und Kriegsnachrichten den Alltag bestimmen und sich rechte Parteien in Wahlumfragen auf einem Höhenflug befinden.
Daneben: Erdbeben, Überschwemmungen und Brand-Katastrophen in einem weiteren Negativ-Rekordsommer, den wohl diejenigen, die jetzt noch die Klimakrise leugnen, komplett verschlafen haben. Gehören schlechte Nachrichten ab jetzt dauerhaft zu unserem Alltag? Oder war das schon immer so – und nur die Nostalgie besser? Vielleicht ist eine Rückkehr zum sogenannten "Alltag" auch gar nicht so wünschenswert – denn so, wie es "schon immer" war, geht es sowieso nicht weiter.
Prominente Unterstützung für "Fridays for Future"
Das hat sich auch die Bewegung "Fridays for Future" auf die Fahne geschrieben, die bereits vor dem großangekündigten Klimastreik diese Woche Rückenwind bekommen hat – nämlich von prominenten österreichischen Künstler*innen. In einem offenen Brief an die Bundesregierung fordern unter anderem Tobias Moretti, Birgit Minichmayr, Mavie Hörbiger, Stefanie Sargnagel und Wolfgang Ambros ein Klimaschutzgesetz, Mobilitätsausbau und einen breitangelegten Umstieg auf erneuerbare Energien. Auch das Wiener Burgtheater hat sich mit den Protesten der Klimaaktivisten solidarisiert, wie das Portal nachtkritik berichtet.
"Aber eigentlich doch ganz normal"? Frauen in Leitungspositionen
Auch andere gesellschaftliche Fragen treiben die deutschsprachigen Bühnen in diesen Tagen um. Mit Iris Laufenberg übernimmt zum Start der Spielzeit eine Frau die Leitung des Deutschen Theaters Berlin – und das zum ersten Mal seit der Gründung des Hauses im Jahr 1883. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung macht Laufenberg deutlich, dass es (leider) immer noch ein wichtiges Signal sei, dass Frauen sich auch in den Spitzenpositionen der Bühnenlandschaft Raum verschaffen könnten – obwohl es "aber eigentlich doch ganz normal sein" sollte.
Auch Kathrin Mädler, Intendantin in Oberhausen, macht in einem Interview mit der Bayerischen Staatszeitung auf den Misstand aufmerksam, dass das Theater viel zu lange ein "durch männliche Netzwerke dominiertes Arbeitsumfeld" war.
Wie weit entfernt Theater und Film oft noch von echter Inklusion sind, beschreibt "Heute Show"-Schauspielerin Gisa Flake in einem überaus lesenswerten Interview mit dem Portal Übermedien. Ihre eigenen Erfahrungen mit klischeebehafteten Drehbüchern, Diskriminierung aufgrund von Körperform und ihre eigenen Versuche, dagegen anzugehen, dürften vielen Theater- und Filmschaffenden bekannt vorkommen.
„Fatale Konsequenz“: LECKEN beim "Wildwechsel"-Festival gestrichen
Die Fördersumme für das Theaterfestival "Wildwechsel" am Theater Zwickau hat sich drastisch verändert, wie in einer Pressemitteilung des Hauses zu lesen ist. Daher muss das Theater auf den Spielort im Gasometer verzichten und die geplante Inszenierung LECKEN des Performancekollektivs CHICKS* aus dem Festivalprogramm streichen – ausgerechnet nachdem dieser Programmpunkt in den vergangenen Wochen immer wieder aus der rechten Ecke angefeindet worden war.
Mit Beschwerdebriefen, Hasskommentaren mit queer-feindlicher Hetze, aktivem Bedrängen von Zuschauer*innen und Stören von Veranstaltungen hätten diverse Gruppierungen wie "Freie Sachsen" und "Der Dritte Weg" versucht, gegen das Stück mobil zu machen. Das Theater selbst bezeichnet die Absage der Aufführung daher als "fatale Konsequenz", obwohl die veränderte Förderungslage nichts mit den Protesten von Rechts zu tun habe.
Immerhin wurde bei einer anderen Veranstaltung (bereits vor einigen Wochen) die Störung durch eine prominente Unruhestifterin sofort unterbunden: Die republikanische Abgeordnete Lauren Boebert wurde aus einer Vorstellung des Musicals "Beetlejuice" in Denver verwiesen, nachdem sie im Zuschauerraum eine E-Zigarette geraucht, gesungen und Fotos gemacht habe, wie FOCUS berichtete. Diese Meldung reiht sich ein in eine ganze Serie von Vorfällen aus den USA, Großbritannien und anderen Ländern, bei denen Theatervorstellungen wegen aktiver Störungen durch Zuschauer*innen unterbrochen werden mussten.
Preise: "Da hat sich was getan und das ist gut so."
Bei der Vergabe des Therese Giehse Preises gibt es diesmal mehrere glückliche Gewinnerinnen: Die Schauspielerinnen Amelle Schwerk (Schauspiel Hannover) und Annemarie Brüntjen (Nationaltheater Mannheim) teilen sich die Trophäe für ihre Rollen in "Peer Gynt" und "Der gute Mensch von Sezuan", wie die Stadt Hannover mitteilt. Die diesjährige Preis-Patin, Schauspielerin Victoria Trauttmannsdorff, begründete die Entscheidung folgendermaßen: "Annemarie und Amelle sind für mich persönlich Rolemodels. Beide Stücke sind von jungen Frauen inszeniert. Da hat sich was getan und das ist gut so."
Der Fonds Darstellende Künste vergibt in diesem Jahr den Theaterpreis des Bundes an das Ballhaus Naunynstraße, wie man auf der Website des Fonds DAKU nachlesen kann. Zur Begründung heißt es, das Theater in Berlin-Kreuzberg stehe für "künstlerische Perspektiven Of Color" und biete einen "wichtigen Reflexionsraum für postkoloniale Strukturen in Alltag und Kunst". Außerdem ausgezeichnet wurden das Theaterhaus Jena, das Chamäleon Theater und das LOFFT.
Die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt hat ihre Entscheidung für die Spartenoffene Förderung bekanntgegeben. Auf ihrer Website werden die fünfzehn Projekte – vorrangig aus der freien Szene - die in den kommenden beiden Jahren finanzielle Unterstützung erhalten, genauer vorgestellt.
Bleiben wir in der Hauptstadt: Gleich drei Inszenierungen des Theaters an der Parkaue sind für den IKARUS-Preis für Kinder- und Jugendtheater nominiert. Aber auch die Tanzkomplizen, das Platypus Theater, die Zitadelle Puppet Company, das Atze Musiktheater und Nasheeka Nedsreal mit dem Theater o.N. dürfen bei der Preisverleihung am 10. November auf eine Auszeichnung hoffen.
Altmeister Robert Wilson erhält den Praemium Imperiale, einen der wichtigsten internationalen Kulturpreise. Neben einem Preisgeld von 15 Millionen Yen darf sich Wilson auf eine Medaille, überreicht von Prinz Hitachi bei einer Zeremonie in Tokio freuen.
Let´s Say A Little Prayer...
Sie hat mehr als nur unseren Respekt: Die Soul-Legende Aretha Franklin ist im Alter von 76 Jahren gestorben, wie die Berliner Zeitung erfahren hat. Mit Titeln wie "I Say A Little Prayer" und "Respect" wurde sie weltberühmt, für ihr musikalisches Werk mit insgesamt 18 Grammys ausgezeichnet. Unvergessen ist auch ihr Auftritt in der Kult-Komödie "Blues Brothers". 2017 zog sie sich aus dem Musikgeschäft zurück; erst vor kurzem war ihre schwere Krebserkrankung bekannt geworden.
Eine bayerische Musikkoryphäe hat ebenfalls die Bühne für immer verlassen: Notburga Well, Musikerin und Mitbegründerin der "Wellküren" verstarb diese Woche mit 71 Jahren. Sie stammte aus der kinderreichen Familie Well, deren Mitglieder in diversen Zusammensetzungen traditionelle bayerische Volksmusik mit bissiger Satire verknüpften. Neben ihren Brüdern, den "Biermösl Blosn", waren die "Wellküren" jahrzehntelang prägend für die bayerische Kabarett- und Musikszene. Ein Nachruf auf Burgi Well findet sich in der Süddeutschen Zeitung.
Von Bayern nach Schwaben: Karlheinz Hartmann, dem schwäbischen Publikum vor allem als Teil des Comedy-Duos "Hannes und der Bürgermeister" bekannt, ist tot. Der SWR würdigt ihn als einen der unbestrittenen Publikumslieblinge im Südwesten.