Sinnkrise light - und extra stark
Mitten in der EM und kurz vor der Sommerpause noch eine kleine Sinnkrise zum Wochenende gefällig? Theater-Altmeister Franz Xaver Kroetz hat dem SPIEGEL gegenüber kundgetan, dass seiner Meinung nach das Theater seine gesellschaftliche Relevanz verloren habe - „aufgefressen von TikTok und Co.“ Da sich heute im Internet jeder sofort zu Wort melden und seine Meinung kundtun könne, werde dem Theater als Diskursort kein Raum mehr zugestanden. Seinen geplanten Auftritt als „Brandner Kaspar“ im Münchner Residenztheater werde er wohl ebenfalls absagen, denn: „Ich stehe ja selber kurz vorm Sterben, da verbringe ich doch die mir verbleibende Zeit nicht mit Warten bei Proben in einer tristen Theatergarderobe.“ Hmm... weiß irgendjemand, wo der Rotwein steht?
In eine größere Sinnkrise kann einen das Abschneiden von Marine Le Pens rechtspopulistischem Rassemblement National bei den französischen Parlamentswahlen stürzen. Das Theaterfestival Avignon will nun gegen das Erstarken der Rechten mobil machen: Wie man im Tagesspiegel nachlesen konnte, hat Festivaldirektor Tiago Rodrigues zum Boykott der Partei aufgerufen. Bei der Eröffnung der diesjährigen Festspiele sagte er, es sei „die historische Verantwortung des Festivals, zur Teilnahme aller an den Parlamentswahlen aufzurufen, die Stimmabgabe im demokratischen Bereich zu fördern und alle zusammenzubringen, um die extreme Rechte zu blockieren“.
Entmachtung in Sicht? - Krise beim Philharmonischen Orchester Bremerhaven
An der Nordseeküste stehen die Zeichen auf Sturm: Eine Aktionsgruppe des Philharmonischen Orchesters Bremerhaven hat in einem offenen Brief ihrem Intendanten Lars Tietje schwere Vorwürfe gemacht. Das Haus ist momentan auf der Suche nach einem neuen Generalmusikdirektor. Tietje habe erst vor kurzem dem Orchester die Zusage gemacht, dass die bisherige Dreierspitze mit einer modernen Teamleitung durch Intendant, Verwaltungsdirektor und GMD fortgesetzt werden solle. Nun sei aber die zu besetzende Stelle als dem Intendanten untergeordnet und von ihm abhängig ausgeschrieben worden.
Das Orchester sieht darin einen „klaren Vertrauensbruch“, eine Entmachtung des GMD und eine Gefährdung der Zukunft des Stadtheaters. Tietje soll auch angedeutet haben, das Orchester bei der Entscheidungsfindung nicht beteiligen zu wollen. Nun hat der Orchestervorstand dagegen bei Oberbürgermeister und Kulturdezernent protestiert: In einer Pressemitteilung des Orchesters vom 05.07.24 heißt es nun, man habe in „offener, sachlicher Atmosphäre“ diskutiert, allerdings sei die Kernforderung nach einem Fortbestand der Dreierspitze nicht zugesichert worden. Nun will man nach den Theaterferien eine „verbindliche, theaterinterne Regelung“ zwischen Theaterleitung und Orchester anstreben, um die Position des GMD und der Musiker*innen zu sichern. Wenn da nicht doch noch eine steife Brise aufkommt...
"Sprachlos und schockiert": Wiest muss Schwerin verlassen
Wir bleiben Im Norden, wo in Mecklenburg ein regelrechter Wechselwind getobt hat: Nach einem Bericht des NDR hat sich das Mecklenburgische Staatstheater mit sofortiger Wirkung von Ballettdirektorin Xenia Wiest getrennt. In einer schriftlichen Erklärung dazu hieß es, Wiest habe mehrfach gegen Pflichten ihres Arbeitsvertrags verstoßen, und ihr Verhalten im Theaterbetrieb sei „untragbar“ gewesen – detailliert wolle man auf die „Reihe von Vorfällen“ aber nicht eingehen, so Intendant Hans-Georg Wegner.
Über die Entscheidung ist Wiest nach eigener Aussage „sprachlos und schockiert“. Nur wenige Tage später ist bereits über eine Nachfolge entschieden worden: Wie Tanznetz erfahren hat, übernimmt der bisherige Ballettmeister Jonathan Dos Santos Wiests Aufgaben und soll als kommissarischer Ballettdirektor fungieren. Der aus Brasilien stammende Tänzer choreografierte in der Vergangenheit schon für das Ballett in Karlsruhe, die São Paulo Dance Company und die Gauthier Dance Company.
Passionstheater: Wird Stückl von der Klippe gestoßen?
Im Süden der Republik rumpelts in den Bergen: Die Gemeinde Oberammergau hat nach einem Bericht des Merkur die Spielleitung für die Passionsspiele 2030 ausgeschrieben. Man wolle laut Bürgermeister Andreas Rödl (CSU) damit den Vorwurf entkräften, die Besetzung werde „im Hinterzimmer ausgekartelt“. Zugleich sei aber im Gemeinderat wohl auch die Diskussion um einen „Generationswechsel“ aufgekommen – und damit die Rolle des bisherigen Spielleiters Christian Stückl in Frage gestellt worden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat Stückl sich schon längst für seine fünfte Auflage der Passion beworben. Es bleibt abzuwarten, ob dem großen „Reformer“ der Passion auch eine weitere Auflage zugestanden wird. Bewerben können sich für den Posten übrigens nur Kandidat*innen, die auch Mitwirkungsrecht auf Basis der (wegen Corona um zwei Jahre verschobenen) Passion 2022 haben – die also in Oberammergau geboren und aufgewachsen sind oder seit mindestens 20 Jahren dort leben.
"Starkes Stück": Meike Fechner übernimmt ASSITEJ-Leitung
Etwas ruhiger ging der Personalwechsel beim ASSITEJ vonstatten: Wie Theater der Zeit schreibt, übernimmt Kulturmanagerin Meike Fechner ab März 2025 die Leitung des Kinder- und Jugendtheaterzentrums in der Bundesrepublik Deutschland. Das bundesweit wirkende Fachzentrum setzt sich für die Entwicklung und Förderung der Darstellenden Künste für junges Publikum ein. Zur Zeit arbeitet Fechner als Leiterin des internationalen Theaterfestivals für junges Publikum „Starke Stücke“; zuvor war sie Geschäftsführerin der ASSITEJ Deutschland.
Der goldene Pinguin – Theater Marabu ausgezeichnet
Das Theater Marabu bleibt auf Erfolgskurs: Bei den 32. Penguin´s Days im Schlosstheater Moers hat die Marabu-Produktion „Genauso, nur anders“ den Preis als beste Inszenierung erhalten. Die Jugendjury, die den Goldenen Pinguin für die Koproduktion mit dem Theater Bonn überreichen durfte, begründete ihre Entscheidung unter anderem mit der „nicht vergleichbare Atmosphäre […], in der viele wichtige Themen unserer Zeit ganz unterschwellig erzählt werden konnten [...].“
Abschied