Wochenrückblick #24/25

Gehen und gegangen werden

Veröffentlicht am 14. Jun 2025

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Wochenrückblick #24/25

Gehen und gegangen werden

Veröffentlicht am 14. Jun 2025

Warum der Vertrag des neuen Hamburger Ballettchefs nun doch vorzeitig aufgelöst wird und was der Eklat für den Kultursenator bedeutet, weshalb in Eisenach nun schon der dritte Leitungswechsel in kürzester Zeit bevorsteht und wieso Kulturschaffende in NRW einen Brief an Hendrik Wüst geschrieben haben.

Nach anhaltender Kritik: Demis Volpi muss gehen

Während die Temperaturen immer weiter in die Höhe klettern, kommt man diese Woche in Hamburg aus ganz anderen Gründen ins Schwitzen: Wie unter anderem der NDR berichtete, ist Demis Volpi ab sofort nicht mehr Intendant des Hamburg Balletts. Der Aufsichtsrat habe einer vorzeitigen Auflösung des Vertrags zugestimmt, wie der Compagnie bei einer internen Versammlung mitgeteilt wurde. Die Entscheidung sieht nach einer – massiv verspäteten - Reaktion auf die anhaltende Kritik an Volpis Führungsstil aus. Mehrere Solisten hatten nach seinem Amtsantritt gekündigt, auch hagelte es Brandbriefe aus dem Hamburger Ensemble und aus Düsseldorf, wo Volpi zuvor tätig war. So zitiert der NDR die Düsseldorfer Tänzer*innen: "Während seiner Zeit bei uns stellten wir fest, dass Herr Volpi ein Arbeitsumfeld schuf, das von inkonsequenter Kommunikation, mangelnder Transparenz und einer Atmosphäre der Angst und Unsicherheit geprägt war." Die Arbeitsatmosphäre in Düsseldorf sei so belastend gewesen, dass langjährige Tänzer*innen noch vor Ablauf ihrer Verträge gekündigt hätten.

Auch Kultursenator Brosda in der Kritik

In der Kritik steht neben Volpi nun auch Hamburgs Kultursenator – und Präsident des Deutschen Bühnenvereins – Carsten Brosda (SPD), der als Mitglied der Findungskommission den Intendanten in die Hansestadt berufen hatte. Warum sich Brosda nicht vor der Entscheidungsfindung mit den bereits bekannten Vorwürfen aus der Rheinmetropole beschäftigt hatte, wirft nun unangenehme Fragen auf. Brosda selbst äußerte sich zu der Affäre: "Intendanz und Compagnie müssen jetzt schnell gemeinsam Lösungen finden, um zu verhindern, dass alle weiter Schaden nehmen." Dieser zu befürchtende (Image-)Schaden für die Compagnie ist im Moment aber noch gar nicht abzusehen.

Nach nur einer Spielzeit: Erneuter Wechsel in Eisenach

Auch in der Lutherstadt Eisenach gab es in dieser Woche - zum wiederholten Male - einen turbulenten Personalwechsel: Wie der MDR erfahren hat, muss Schauspiel-Direktorin Lydia Bunk das Theater nach nur einer Spielzeit verlassen. Über die Umstände der Kündigung sei Stillschweigen vereinbart worden, allerdings wäre diese nach Bunks Ablehnung eines Auflösungsvertrags erfolgt. Laut nachtkritik sei es zu dem Eklat wenige Tage vor der Premiere von Bunks Bühnenadaption des DEFA-Klassikers „Solo Sunny“ gekommen: Intendant Jens Neundorff von Enzberg habe die Regie des Stückes nur zehn Tage vor der Erstaufführung seinem Kollegen Klaus Kusenberg übertragen. Damit erfolgt in Eisenach nun schon der dritte Wechsel der Schauspieldirektion innerhalb kürzester Zeit. Und über allem schweben nach wie vor die Vorwürfe von Machtmissbrauch und schlechtem Arbeitsklima, über die auch Theapolis berichtete.

"Wir sind zutiefst besorgt": Offener Brief der Freien Kulturszene NRW

In NRW haben sich Kulturschaffende in einem offenen Brief an Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und an die stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen) Luft gemacht. Der Zusammenschluss aus 14 kommunalen Netzwerken der Freien Kulturszene bringt es gleich zu Beginn des Briefes auf den Punkt: „Wir sind zutiefst besorgt über die Zukunft der Freien Kultur in unserem Land.“ Neben den eklatanten Verzögerungen bei Förderprogrammen und der damit verbundenen fehlenden Planungssicherheit wurde auch die „mangelhafte und intransparante“ Kommunikation mit dem Kulturministerium beklagt. Daher fordert die Initiative nun von Wüst gesicherte Rahmenbedingungen für die verbleibende Legislaturperiode, frühzeitige und verbindliche Bewilligungsbescheide sowie eine regelmäßige, offene und klare Kommunikation auf Augenhöhe.

Man mag Magdeburg: Martin-Linzer-Preis für das Ensemble

Das Theater Magdeburg bleibt auf Erfolgskurs: Nach einem Bericht der Tagesschau wird das Haus mit dem Martin-Linzer-Preis 2025 der Zeitschrift „Theater der Zeit“ ausgezeichnet. Mit dem undotierten Preis solle die besondere Qualität der Ensembleleistung gewürdigt werden, so Jurorin Lina Wölfel. Für das Theater ist die Auszeichnung eine weitere große Ehre nach den Einladungen zum Berliner Theatertreffen und dem Heidelberger Stückemarkt. Außerdem hat Ensemblemitglied Carmen Steinert kürzlich den Alfred-Kerr-Darstellerpreis erhalten.

Abschied

  • Kinofans kennen ihn aus „Scarface“, „Ghostbusters II“ und „Training Day“: Nun ist Schauspieler Harris Yulin im Alter von 87 Jahren verstorben, wie beim Musikexpress nachzulesen war. Seine Karriere begann Yulin auf der Theaterbühne – 1963 gab er sein Debüt in New York mit dem Stück „Next Time I´ll Sing To You“. Später zog es ihn vor die Kamera, wo er vor allem in den 1980er und 1990er Jahren in vielen Blockbustern Erfolge feierte. Jüngere Zuschauer*innen kennen ihn aus Serienhits wie „Unbreakable Kimmy Schmidt“ und „Ozark“. Seine Leidenschaft fürs Schauspiel gab Yulin auch an die nächste Generation weiter: So unterrichtete er an der berühmten Juilliard School in New York, an der Graduate School of the Arts der Columbia University und am HB Studio in Manhattan.
  • Diese Woche stehen leider „Sad Vibrations“ statt „Good Vibrations“ auf dem Programm: Brian Wilson, Gründungsmitglied der legendären „Beach Boys“, ist mit 82 Jahren verstorben, wie u.a. der SPIEGEL berichtete. Gemeinsam mit seinen zwei Brüdern gründete er die Kult-Formation, die mit Hits wie „Surfin´ USA“ und „I Get Around“ den entspannten Surf-Rock-Around der 1960er Jahre prägen sollten. Ihre Platte „Pet Sounds“ wurde vom „Rolling Stone“-Magazin auf Platz 2 der 500 besten Alben gewählt, seit 1988 haben die „Beach Boys“ einen Platz in der „Rock´n´Roll Hall of Fame“. Der Erfolg seiner Band machte Wilson aber auch schwer zu schaffen, seine Angststörungen versuchte er unter anderem durch Drogenkonsum zu bekämpfen. Da er irgendwann aus Furcht vor dem Meer nicht mehr an den Strand gehen konnte, ließ er in seinem Wohnzimmer tonnenweise Sand ausschütten, um die Füße darin einzutauchen, während er seine unvergessenen Hits komponierte. Wir wünschen eine gute Reise an einen neuen Strand, Mr. Wilson!

Kommentare

Karsten Engelhardt

Karsten Engelhardt

Über die Krise am Hamburg Ballett lohnt sich die sehr gut recherchierte und sehr differenzierte Berichterstattung von Florian Zinnecker in der ZEIT: Mehrere Artikel und zwei PodCasts. Ich habe dafür extra ein ProbeAbo abgeschlossen. https://www.zeit.de/2025/24/hamburg-ballett-demis-volpi-john-neumeier?icode=01w0040k0059Inhemanew2104&utm_medium=email&utm_source=elbvertiefung&utm_campaign=zplus&utm_content=&wt_zmc=emanew.int.zabo.elbvertiefung.zplus....x&mobile=1
15.06.2025 11:47