Während die Theater von der Corona- in die Sommerpause wechseln, lohnt sich bei den großen Theater-Diskurs-Themen des letzten Jahres Rassismus und Machtmissbrauch der Blick zurück und in die Zukunft. In Hannover steht der Verkehr und in Stuttgart fällt ein Zeichen vom Himmel.
Nach der Pause, vor der Pause
Die Spielzeit ist aus. Moment, Spielzeit? Die gab‘s doch gar nicht so richtig? Wieso ist die denn schon wieder aus? Tja, weil eben im Sommer
Spielzeitpause ist. Auch dieses Jahr. Ja, auch dieses Jahr. Über das Thema der mangelnden Flexibilität der großer Theatertanker ist in den letzten Monaten viel gesprochen worden. Ein kurzer
Kommentar aus der FAZ stellt das Problem noch einmal dar und sieht darin auch eine Chance für die freien Bühnen mit ihrer größeren Flexibilität.
Blick zurück, Blick nach vorn
Während die Stadttheater in diesen Tagen also Premieren-Stau-Produktionen und Spielpläne für die nächste Spielzeit veröffentlichen, werfen zwei lesenswerte Artikel einen Blick zurück auf die Themen
Diskriminierung und
Machtmissbrauch, die neben Corona die Debatte in der Theaterlandschaft des letzten Jahres beherrscht haben. Ein
Artikel aus der Zeitschrift profil beleuchtet den Diskurs mit einem Fokus auf die Theaterlandschaft in
Österreich.
Die Zeit spannt in einem sehr lesenswerten
Artikel ausgehend vom Fall
Chloe Lopes Gomes und den Rassismusvorwürfen an das
Berliner Staatsballett die Frage zur Zukunft des Balletts an sich: „Letztlich ist das Ballett eine europäische, weiße Kunstform, deren Unterwerfungsgeste sich dadurch ausdrückt, dass in ihr alle Körper gleich auszusehen haben. Wie kann Ballett zeitgenössisch sein in einer Welt, die vieles ist, bloß nicht homogen?“
In dem Artikel werden verschiedene Experten mit kritischen Haltungen zur Situation der Ballettensembles zitiert. So heißt es etwa „an allen Ecken müsse die Ballett-Institution geändert werden, wenn man eine moderne, emanzipierte Ballettpraxis ausüben wolle... Die Zurichtung der Körper im Ballett bedeute auch, dass die Choreographien und Trainings meist von Machtverhältnissen geprägt seien. Es müssten nicht nur das Repertoire und die Entscheidungstragenden überdacht werden, sondern auch die Geschlechtertrennung auf allen Ebenen und die Hierarchisierung in den Büros, die alle nach "Top-Down-Manier" aufgebaut seien.“
Zu der Frage, ob eine solche Entwicklung nach den jüngsten Vorfällen im Gange ist, findet sich folgendes Statement: „Oftmals seien Institutionen offen für die Diskussionen, aber nicht für die Konsequenzen der Diskussionen“.
Alte Häuser, neue Häuser
Diskussionen gibt es auch um die Sanierung der stark baufälligen
Stuttgarter Oper, und das seit Jahren. Am Montag vor zwei Wochen gab es nun einen Wink des Himmels. Bei einem Sturm wurde ein Teil des Daches abgerissen und Wasser drang ins Haus ein. Einen Bericht dazu mit fast schon absurd symbolträchtigen Bildern gibt es auf
br klassik. Übrigens wurde von den auf den Bildern sichtbaren Musenfiguren just derjenigen durch das Unwetter der Kopf abgeschlagen, die für die Architektur steht. Anfang der kommenden Woche wird nun endlich die Beschlussvorlage für die Sanierung der Oper vorgestellt, wie die
Stuttgarter Nachrichten schreiben.
Erheblich weiter ist man da in
Hamburg, wo Anfang der kommenden Spielzeit das neue
Junge Schauspielhaus eröffnet wird. Einen Rundgang durch das Haus macht die
Welt.
Unter freiem Himmel findet derweil in Hannover das
Festival Theaterformen statt und löst dabei eine veritable verkehrspolitische Debatte aus. In Hannover wurde mit der Raschplatzhochstraße eine zentrale Verkehrsader gesperrt, um dort ein Stadtlabor für Klimagerechtigkeit einzurichten. Während ADAC und Bildzeitung schimpfen, spricht die Festivalleiterin auch von vielen
positiven Rückmeldungen (leider Paywall). Der grüne Hannoveraner Oberbürgermeister sprach auf der Eröffnungsrede des Festivals diplomatisch von
„sichtbaren und spürbaren Spuren in der Stadt, die es hinterher auszuwerten gelte“. (leider auch Paywall)
Neue Leitung, alte Leitung
Das
Theaterfestival in Avignon eröffnete in der vergangenen Woche mit der Information, dass der portugiesische Regisseur
Tiago Rodrigues im kommenden Jahr die Festivalleitung übernehmen werde. Das berichtet der
Deutschlandfunk und erwähnt auch, dass das Aushängeschild der französischen Theaterszene damit zum ersten Mal nicht unter französischer Leitung stattfinden wird.
Noch internationaler wird es im kommenden Jahr beim
Festival Theater der Welt, das im kommenden Jahr von den Japanerinnen
Chiaki Soma und
Kyoko Iwaki und damit erstmals nicht von Europäer*innen geleitet wird, wie die
FAZ berichtet.
Aus Österreich stammt der neue Intendant des Siegener
Apollo-Theaters,
Markus Steinwender, der mit der Spielzeit 2022 die Leitung übernimmt, wie der
Westfalenspiegel berichtet.
Verlängert wurden die Intendanzverträge von
Axel Preuß an den
Schauspielbühnen in
Stuttgart bis 2029 und von
Lars Wernecke bei den
Frankenfestspielen bis 2023.
Preise
Das
Kinder- und Jugendtheaterzentrum der Bundesrepublik Deutschland und der
Deutsche Literaturfonds haben Stipendien für die Entwicklung neuer Kindertheaterstücke vergeben. Ausgewählt wurden die Projekte der Autor*innen
Emel Aydoğdu,
Carsten Brandau,
Jens Raschke und
Henner Kallmeyer,wie aus der
Pressemitteilung hervorgeht.
In Hamburg wurden gleich zwei Preise verliehen. Die Schauspielerin
Stella Roberts erhält für ein geplantes Theaterprojekt in einem Leuchtturm am Elbstrand den mit 50.000 Euro dotierten
Barbara Kisseler-Preis. Den mit 15.000€ dotierten
Gustav-Gründgens-Preis erhält der Schauspieler und Regisseur
Volker Lechtenbrink, wie die
ZEIT meldet.
Ausgeschrieben wurde vom
Schauspielhaus Wien das Hans-Gratzer-Stipendium für Nachwuchsautor*innen, wie auf der
Homepage des Schauspielhauses zu lesen ist.
Verliehen wurde in Berlin am Freitag der
Theaterpreis des Bundes, wie wir bereits letzte Woche
berichteten. Ausgezeichnet wurden für ihre innovativen Projekte in der Corona-Zeit elf kleine und mittlere Theater: Eben nicht die unflexiblen Tanker, sondern die wendigen und kraftvollen Schlepper!