Wochenrückblick #28/21

Veränderung, dich schickt der Himmel!

Veröffentlicht am 10. Jul 2021

Wochenrückblick #28/21

Veränderung, dich schickt der Himmel!

Veröffentlicht am 10. Jul 2021

Während die Theater von der Corona- in die Sommerpause wechseln, lohnt sich bei den großen Theater-Diskurs-Themen des letzten Jahres Rassismus und Machtmissbrauch der Blick zurück und in die Zukunft. In Hannover steht der Verkehr und in Stuttgart fällt ein Zeichen vom Himmel.
Nach der Pause, vor der Pause

Die Spielzeit ist aus. Moment, Spielzeit? Die gab‘s doch gar nicht so richtig? Wieso ist die denn schon wieder aus? Tja, weil eben im Sommer Spielzeitpause ist. Auch dieses Jahr. Ja, auch dieses Jahr. Über das Thema der mangelnden Flexibilität der großer Theatertanker ist in den letzten Monaten viel gesprochen worden. Ein kurzer Kommentar aus der FAZ stellt das Problem noch einmal dar und sieht darin auch eine Chance für die freien Bühnen mit ihrer größeren Flexibilität.

Blick zurück, Blick nach vorn

Während die Stadttheater in diesen Tagen also Premieren-Stau-Produktionen und Spielpläne für die nächste Spielzeit veröffentlichen, werfen zwei lesenswerte Artikel einen Blick zurück auf die Themen Diskriminierung und Machtmissbrauch, die neben Corona die Debatte in der Theaterlandschaft des letzten Jahres beherrscht haben. Ein Artikel aus der Zeitschrift profil beleuchtet den Diskurs mit einem Fokus auf die Theaterlandschaft in Österreich

Die Zeit spannt in einem sehr lesenswerten Artikel ausgehend vom Fall Chloe Lopes Gomes und den Rassismusvorwürfen an das Berliner Staatsballett die Frage zur Zukunft des Balletts an sich: „Letztlich ist das Ballett eine europäische, weiße Kunstform, deren Unterwerfungsgeste sich dadurch ausdrückt, dass in ihr alle Körper gleich auszusehen haben. Wie kann Ballett zeitgenössisch sein in einer Welt, die vieles ist, bloß nicht homogen?“

In dem Artikel werden verschiedene Experten mit kritischen Haltungen zur Situation der Ballettensembles zitiert. So heißt es etwa „an allen Ecken müsse die Ballett-Institution geändert werden, wenn man eine moderne, emanzipierte Ballettpraxis ausüben wolle... Die Zurichtung der Körper im Ballett bedeute auch, dass die Choreographien und Trainings meist von Machtverhältnissen geprägt seien. Es müssten nicht nur das Repertoire und die Entscheidungstragenden überdacht werden, sondern auch die Geschlechtertrennung auf allen Ebenen und die Hierarchisierung in den Büros, die alle nach "Top-Down-Manier" aufgebaut seien.“

Zu der Frage, ob eine solche Entwicklung nach den jüngsten Vorfällen im Gange ist, findet sich folgendes Statement: „Oftmals seien Institutionen offen für die Diskussionen, aber nicht für die Konsequenzen der Diskussionen“.

Alte Häuser, neue Häuser

Diskussionen gibt es auch um die Sanierung der stark baufälligen Stuttgarter Oper, und das seit Jahren. Am Montag vor zwei Wochen gab es nun einen Wink des Himmels. Bei einem Sturm wurde ein Teil des Daches abgerissen und Wasser drang ins Haus ein. Einen Bericht dazu mit fast schon absurd symbolträchtigen Bildern gibt es auf br klassik. Übrigens wurde von den auf den Bildern sichtbaren Musenfiguren just derjenigen durch das Unwetter der Kopf abgeschlagen, die für die Architektur steht. Anfang der kommenden Woche wird nun endlich die Beschlussvorlage für die Sanierung der Oper vorgestellt, wie die Stuttgarter Nachrichten schreiben.

Erheblich weiter ist man da in Hamburg, wo Anfang der kommenden Spielzeit das neue Junge Schauspielhaus eröffnet wird. Einen Rundgang durch das Haus macht die Welt.

Unter freiem Himmel findet derweil in Hannover das Festival Theaterformen statt und löst dabei eine veritable verkehrspolitische Debatte aus. In Hannover wurde mit der Raschplatzhochstraße eine zentrale Verkehrsader gesperrt, um dort ein Stadtlabor für Klimagerechtigkeit einzurichten. Während ADAC und Bildzeitung schimpfen, spricht die Festivalleiterin auch von vielen positiven Rückmeldungen (leider Paywall). Der grüne Hannoveraner Oberbürgermeister sprach auf der Eröffnungsrede des Festivals diplomatisch von „sichtbaren und spürbaren Spuren in der Stadt, die es hinterher auszuwerten gelte“. (leider auch Paywall)

Neue Leitung, alte Leitung

Das Theaterfestival in Avignon eröffnete in der vergangenen Woche mit der Information, dass der portugiesische Regisseur Tiago Rodrigues im kommenden Jahr die Festivalleitung übernehmen werde. Das berichtet der Deutschlandfunk und erwähnt auch, dass das Aushängeschild der französischen Theaterszene damit zum ersten Mal nicht unter französischer Leitung stattfinden wird.

Noch internationaler wird es im kommenden Jahr beim Festival Theater der Welt, das im kommenden Jahr von den Japanerinnen Chiaki Soma und Kyoko Iwaki und damit erstmals nicht von Europäer*innen geleitet wird, wie die  FAZ berichtet.

Aus Österreich stammt der neue Intendant des Siegener Apollo-Theaters, Markus Steinwender, der mit der Spielzeit 2022 die Leitung übernimmt, wie der Westfalenspiegel berichtet.

Verlängert wurden die Intendanzverträge von Axel Preuß an den Schauspielbühnen in Stuttgart bis 2029 und von Lars Wernecke bei den  Frankenfestspielen bis 2023.

Preise

Das Kinder- und Jugendtheaterzentrum der Bundesrepublik Deutschland und der Deutsche Literaturfonds haben Stipendien für die Entwicklung neuer Kindertheaterstücke vergeben. Ausgewählt wurden die Projekte der Autor*innen Emel Aydoğdu, Carsten Brandau, Jens Raschke und Henner Kallmeyer,wie aus der  Pressemitteilung hervorgeht.

In Hamburg wurden gleich zwei Preise verliehen. Die Schauspielerin Stella Roberts erhält für ein geplantes Theaterprojekt in einem Leuchtturm am Elbstrand den mit 50.000 Euro dotierten Barbara Kisseler-Preis. Den mit 15.000€ dotierten Gustav-Gründgens-Preis erhält der Schauspieler und Regisseur Volker Lechtenbrink, wie die ZEIT meldet.

Ausgeschrieben wurde vom Schauspielhaus Wien das Hans-Gratzer-Stipendium für Nachwuchsautor*innen, wie auf der Homepage des Schauspielhauses zu lesen ist.

Verliehen wurde in Berlin am Freitag der Theaterpreis des Bundes, wie wir bereits letzte Woche berichteten. Ausgezeichnet wurden für ihre innovativen Projekte in der Corona-Zeit elf kleine und mittlere Theater: Eben nicht die unflexiblen Tanker, sondern die wendigen und kraftvollen Schlepper!

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