Wochenrückblick #6/24

Back to normal?

Veröffentlicht am 10. Feb 2024

Foto von Jason Yoder <a href="https://unsplash.com/de/fotos/frau-mit-roten-haaren-tragt-weisses-geblumtes-spitzenoberteil-ohne-armel-lUzF4pPPD6g" target="_blank" rel="noopener">auf Unsplash</a> © Foto von Jason Yoder auf Unsplash © Foto von Jason Yoder auf Unsplash
Wochenrückblick #6/24

Back to normal?

Veröffentlicht am 10. Feb 2024

Missbrauch, Antisemitismus, Gleichgültigkeit - Warum in Erfurt nicht weiter ermittelt wird, die AfD nun doch keinen Platz auf dem roten Teppich bekommt und wieso ein gar nicht so neuer Fall von Antisemitismus in Würzburg jetzt hohe Wellen schlägt. Wer diese Woche klare Kante gezeigt hat. Und weshalb ein paar Zahlen Anlass zu vorsichtigem Optimismus liefern.

Bühnenverein veröffentlicht Theaterstatistik 21/22

Eine Statistik zum Wochenende gefällig? Nein, nicht gleich wieder weiterklicken! Diese Zahlen sind speziell für Theatermenschen - und sie machen sogar ein wenig Mut. Der Deutsche Bühnenverein hat diese Woche die Theaterstatistik mit allen relevanten Daten zur Spielzeit 2021/22 veröffentlicht. Claudia Schmitz, geschäftsführende Direktorin des Vereins, sieht darin "den Weg der Gesellschaft zurück in die neue Normalität". Zwar lag die Zahl der Besucher*innen ab Herbst 2021 deutlich unter der Saison 2019/20, aber zum Jahresende 2022 haben wieder viele Menschen den Weg zurück ins Theater gefunden. Und: Die Anzahl der ständig Beschäftigten stieg im Berichtszeitraum um 6 Prozent. Es gibt also tatsächlich ein Theaterleben nach Corona.

AfD will Zuschuss für Stendal einfrieren

"Nazis im Haus - ich halt es nicht mehr aus" ...wie es so schön in einem Song der "Terrorgruppe" heißt. Auch in dieser Theaterwoche haben die Rechten wieder einmal von sich reden gemacht.

So hat die AfD offensichtlich vor, den geplanten Zuschuss für das Theater der Altmark in Stendal einzufrieren. Ein Bericht der "Volksstimme" (leider nur hinter einer Paywall zu lesen) schildert diesen Plan der Fraktion. Etwas Neues ist das allerdings nicht. Schon im vergangenen Jahr hatte die AfD sich gegen weitere Gelder für das Theater ausgesprochen, war damit aber im Stadtrat gescheitert.

Berlinale distanziert sich von AfD-Abgeordneten

Die Kunst- und Kulturszene wehrt sich jedoch gegen die blau-braune Soße: Die Leitung der Berlinale hat sich laut FAZ von zwei AfD-Abgeordneten und deren Einladung zur Eröffnung der Filmfestspiele distanziert. In einem persönlichen Brief sei den beiden Parteivertreter*innen mitgeteilt worden, dass Personen, die gegen demokratische Werte agierten, auf dem Festival "nicht willkommen" seien. Zuvor hatten in einem offenen Brief rund zweihundert Filmschaffende gegen die Einladung demonstriert. Kulturstaatsministerin Claudia Roth hatte diese dagegen mit dem "Respekt der Bundesregierung gegenüber [...] gewählten Abgeordneten" verteidigt.

Theater Münster gegen AfD-Neujahrsempfang

Auch das Theater Münster zeigt klare Kante gegen Rechts: In einem Statement auf dem Portal Theaterkompass schließt sich die Bühne dem Protest gegen den Neujahrsempfang der AfD in der Stadt des Westfälischen Friedens an. So heißt es dort: "Kunst muss sich [...] gegen den Kulturkampf von rechts wehren."

Antisemitismus und Gleichgültigkeit: Der Fall Würzburg

Am Mainfranken Theater Würzburg scheint es dagegen Nachholbedarf zu geben, was eine klare Positionierung gegen Hate-Speech und Antisemitismus angeht. Ein Vorfall aus dem vergangenen Jahr wurde vom Kollektiv "Stabiler Rücken" aufgearbeitet - und macht sowohl fassungslos als auch wütend:

Die jüdische Schauspielerin Anouk Elias, die die Hauptrolle in der Produktion "Das Tagebuch der Anne Frank" verkörperte, hatte bereits frühzeitig bei der Theaterleitung um Personenschutz gebeten, da sie sich bei den Vorstellungen im öffentlichen Raum unsicher fühlte. Dies wurde jedoch abgelehnt - sogar noch nach einem tatsächlichen Übergriff, als antisemitische Parolen in Richtung der Darstellerin gebrüllt wurden. Weitere Vorfälle wurde mit Hilfe der GDBA und des Bundesverbands RIAS dokumentiert und der Presse zugespielt, nachdem sich das Theater weiterhin weigerte, gegen die Angriffe vorzugehen. Daraufhin wurde Elias´ Vertrag gekündigt, jedoch in einem anschließenden Prozess zu ihren Gunsten entschieden. Bis heute verharmlost die Theaterleitung in Würzburg den Vorfall zu einer "betrunkenen Pöbelei". Das Kollektiv "Stabiler Rücken" fordert nun eine konsequente Aufarbeitung der Vorkommnisse und "Konsequenzen für die Verantwortlichen".

Keine Ermittlungen in Erfurt: Die Causa Montavon

Der mdr hat erfahren, dass die Staatsanwaltschaft wegen der Vorwürfe sexueller Übergriffe und Machtmissbrauchs am Erfurter Theater (Theapolis berichtete) nicht ermitteln will. Das Schreiben der damaligen Gleichstellungsbeauftragten Witzmann zähle nicht per se als Strafanzeige - bis heute hätten sich aber keine Geschädigten direkt gemeldet. Nach dem Willen des Stadtrats soll das Gutachten über die Vorfälle nun veröffentlicht werden, wie N-TV berichtet. Außerdem soll ein externer Prüfer die wirtschaftliche Führung des Theaters untersuchen.

Unterdessen hat die Stadt Erfurt bereits die neue kommissarische Werksleitung im "Doppelpack" vorgestellt: Christine Exel, bisher Beteiligungscontrollerin bei den Stadtwerken, wird Verwaltungsdirektorin und zweite Werksleiterin - das Theater ist für sie nach eigenen Worten "Neuland". Der neue erste Werksleiter Malte Wasem dagegen ist am Haus kein Unbekannter: Er ist bereits seit 2022 als künstlerischer Betriebsdirektor und Stellvertreter des Generalintendanten tätig.

Kommen und Bleiben

  • Das Max-Reinhardt-Seminar in Wien hat nach einem Bericht des Standard eine neue Leitung: Alexandra Althoff übernimmt zum 1. März das renommierte Institut. Althoff war als Dramaturgin bereits in Köln, Bochum und Frankfurt sowie beim Berliner Ensemble und den Salzburger Festspielen tätig. Unter Martin Kušej arbeitete sie als stellvertretende künstlerische Leitung des Burgtheaters. Sie folgt in ihrer neuen Position indirekt auf Maria Happel, die wegen Vorwürfen von Machtmissbrauch ihren Posten geräumt hatte (Theapolis berichtete). Inzwischen wurde Happel - aus Sicht der Universität - durch ein Expertengremium weitestgehend entlastet.
  • Josef Köpplinger, Intendant des Staatstheaters am Gärtnerplatz München, bleibt der bayrischen Landeshauptstadt erhalten: Sein Vertrag wurde laut Süddeutscher Zeitung bis 2030 verlängert. Ein "no-brainer", wie man den Worten von Kunstminister Markus Blume (CSU) entnehmen kann: "Alle lieben das Gärtnerplatztheater - und Intendant Josef Köpplinger ist der kreative Kopf dieser Theatermagie."

Gewinnen

  • Am Schauspielhaus Wien ist der Hans-Gratzer-Preis 2024 vergeben worden. Nachwuchsautor Guido Wertheimer überzeugte die Jury mit seinem Stückentwurf "Die realen Geister"; Noëlle Haeseling begeisterte dagegen mit ihrer Arbeit "VON FISCHEN UND FRAUEN" das Publikum. Das Förderprogramm für angehende Theaterautor*innen will vor allem die zeitgenössische Dramatik im deutschsprachigen Raum stärken.

Gehen

"Sometimes there really isn´t a tomorrow..."

  • Von "Rocky" über "Predator" bis "The Mandalorian": Der Schauspieler Carl Weathers war fester Bestandteil des abendlichen Filmprogramms. Jetzt ist er nach einem Bericht der ZEIT mit 76 Jahren verstorben. Weather schaffte den Sprung vom Profi-Footballer auf die große Leinwand mit seiner Rolle als Boxer Apollo Creed, die er in vier "Rocky"-Filmen verkörperte. Arnold Schwarzenegger, sein Co-Star aus "Predator" würdigte Weathers als "außergewöhnlichen Athleten, fantastischen Schauspieler und großartigen Menschen".
  • Wie die Kieler Nachrichten erfahren haben, ist der Gründungsintendant der Schleswig-Holsteinischen Landestheater Horst Mesalla bereits im vergangenen Dezember mit 88 Jahren verstorben. 1974 führte er die Theater Flensburg, Schleswig und Rendsburg zusammen und prägte 26 Jahre lang das Profil der größten deutschen Landesbühne.
  • Und auch im Nachbarland Österreich trauert man um einen Initiator: Nach einem Bericht der Salzburger Nachrichten ist Peter Loidolt, Mitbegründer und langjähriger Intendant der Festspiele Reichenau, im Alter von 78 Jahren gestorben. 1981 hatte er gemeinsam mit seiner Frau den Kulturverein Reichenau an der Rax gegründet, aus dem die künstlerisch und wirtschaftlich erfolgreichen Festspiele hervorgingen. Nach Vorwürfen durch den Rechnungshof legte das Paar jedoch vor drei Jahren die Intendanz nieder.
  • Die italienische Schauspielerin Sandra Milo ist mit 90 Jahren verstorben, wie das Redaktions Netzwerk Deutschland mitteilt. In den 1950er Jahren zählte sie zu Italiens bekanntesten Kinostars. Ihren internationalen Durchbruch feierte sie 1963 mit dem Film "Achteinhalb" von Federico Fellini, mit dem sie auch eine 15jährige Beziehung verband. In den 1990er und 2000er Jahren trat sie vor allem auf der Theaterbühne auf.
  • Zu früh aus der Manege verabschiedet hat sich Hochseilartist Freddy Nock. Mit nur 59 Jahren ist der bekannte Akrobat des Circus Roncalli laut Tagesspiegel verstorben. Über die genauen Umstände seines Todes liegen noch keine Einzelheiten vor. Nock stammte aus einer traditionsreichen Zirkusfamilie und war ein vielfacher Rekordhalter auf dem Hochseil.

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