Man ringt, rang, hat gerungen: Die Theaterwelt ob zahlreicher Verluste um Fassung, Thü-ringen ohne "Ring" um die Finanzen, Guy Montavon wohl um Worte und der Bühnenverein mit anstehenden Änderungen.
Manchmal häufen sich die Tage, an denen einfach alles schief läuft: Man rammt den kleinen Zeh an die Bettkante, die Hafermilch kocht über, nur Rechnungen im Briefkasten, es ist zu warm/zu kalt/zu nass für diese Jahreszeit, Sandra Hüller hat keinen Oscar bekommen (wobei Emma Stone ihn ihr mehr als verdient weggeschnappt hat), René Pollesch ist immer noch tot... Könnten wir vielleicht mal wieder ein paar Tage und Wochen vorspulen, bis alles wieder in Ordnung ist? Oder ist Ordnung das, was passiert, während man andere Pläne macht?
Domino in Thüringen: Montavon verzichtet auf Vorsitz, Theater Erfurt auf den "Ring"
In der "Causa Montavon" (Theapolis berichtete zuletzt hier) ist nun das nächste Domino-Steinchen gefallen: Der Schweizer hat in dieser Woche den Vorsitz des Thüringer Landesverbands des Deutschen Bühnenvereins abgegeben, wie auf ZEIT Online nachzulesen ist. Gründe für seinen Rücktritt habe Montavon in der E-Mail an den Geschäftsführer des Landesverbands nicht genannt. Vorerst übernimmt der Meininger Bürgermeister Fabian Giesder den freigewordenen Posten.
An Montavons ehemaliger Wirkungsstätte zieht man derweil Konsequenzen aus der finanziellen Misere: Laut einem Bericht der Frankenpost wird das Theater Erfurt auf weitere Inszenierungen aus dem "Ring des Nibelungen" verzichten, um Geld einzusparen. Allein das von Jürgen R. Weber inszenierte "Rheingold" werde diese Spielzeit noch gezeigt, auf die weiteren Teile von Richard Wagners vierteiligem Opernzyklus wird das Erfurter Publikum vorerst - genau: verzichten müssen. Durch die Neubesetzung der Werksleitung seien viele langfristige geplante Projekte des Hauses auf den Prüfstand gekommen. Eine Ausgabensperre für das laufende Jahr hatte die Stadt Erfurt bereits verhängt.
Leitung 1: Radikale Zeitgenossen
Am Schlosstheater Moers wird eine neue Ära eingeläutet: Wie die NRZ erfahren hat, tritt ab der Spielzeit 2025/26 eine Doppelspitze die Nachfolge des langjährigen Intendanten Ulrich Greb an. Die Findungskommission hat sich einstimmig für das Regisseurs-"Tandem" Jakob Arnold und Daniel Kunze entschieden. Arnold ist Regie-Absolvent der Folkwang-Universität, leitete in den letzten Jahren unter anderem das Phoenix Theaterfestival in Erfurt und wird sich in Moers vermehrt um den geschäftsführenden Teil kümmern. Sein Studienkollege Kunze inszenierte ebenfalls an zahlreichen deutschsprachigen Häusern und wird in Zukunft für den Großteil der künstlerischen Intendanz-Arbeit verantwortlich zeichnen. Beide haben sich mit "radikaler Zeitgenossenschaft" ein spannendes Motto auf die Fahne geschrieben.
Leitung 2: Diskurse aufsammeln in Neukölln
Auch die Neuköllner Oper bekommt ab der Spielzeit 24/25 eine neue künstlerische Leitung: Wenn sich Bernhard Glocksin im kommenden August nach mehr als 20 Jahren vom Haus verabschiedet, übernimmt Rainer Simon seinen Posten. Simon leitet aktuell das Festival Schall&Rauch und die Außenspielstätten der Komischen Oper Berlin; auch arbeitete er als Referent für deren Intendanten Barrie Kosky. Simon freut sich sichtlich über die einstimmige Zusage des Gremiums und seine neue Aufgabe: "In Neukölln liegen die Diskurse für ein gesellschaftlich relevantes Musiktheater quasi auf der Straße."
"Ach, diese Lücke!..."
In dieser Woche mussten wir uns wieder von zahlreichen großartigen Theaterkolleg*innen für immer verabschieden. Dabei hat die deutschsprachige Bühnenwelt den Tod von René Pollesch noch gar nicht richtig verdaut. Eine seiner langjährigen Weggefährtinnen, Sophie Rois, erzählt im Interview mit dem SWR von ihrer Trauer - und davon, wie es weitergehen muss.
- Seine skurrile Komödie "Out of Rosenheim" mit Marianne Sägebrecht machte ihn in den 80er Jahren weltbekannt: Regisseur Percy Adlon ist in seiner Wahlheimat Los Angeles im Alter von 88 Jahren gestorben, wie das RedaktionsNetzwerk Deutschland mitteilt. Adlon, der aus der bekannten Hotelbesitzer-Dynastie stammte und ursprünglich Schauspieler werden wollte, drehte im Laufe seiner Karriere neben Spielfilmen rund 150 Dokumentarfilme. Zum Theater kam er erst spät: 2002 debütierte er als Opernregisseur in Berlin und brachte ein paar Jahre später "Out of Rosenheim" als Musical auf die Bühne. Ein liebevoller Nachruf findet sich beim Bayerischen Rundfunk.
- Fast 30 Jahre lang war das Bremer Theater ihr Zuhause: Nun ist die Schauspielerin Gabriele Möller-Lukasz im Alter von 69 Jahren gestorben, wie der Weser-Kurier berichtet. Sie absolvierte ihre Schauspielausbildung in Rostock und kam nach Engagements in Greifswald, Rostock und Lübeck 1994 ans Theater Bremen. Intendant Michael Börgerding sagt über Möller-Lukasz, die an seinem Haus mehr als 100 Rollen spielte: "Sie konnte wunderbar singen, sie konnte frech und charmant sein, sie war witzig, schlagfertig und mutig."
- Mit 88 Jahren hat sich Aribert Reimann von der Weltbühne verabschiedet. Der Spiegel würdigte den gebürtigen Berliner als einen der wichtigsten und meistgespielten zeitgenössischen Komponisten, der zuletzt 2018 mit dem Faust ausgezeichnet worden war. Seine Opern, in denen er häufig klassische Stoffe vertonte, zeichneten sich durch moderne Thematiken aus, geprägt von Aufrufen gegen den Krieg und für das Überleben.
- Wie die Bühnen Halle mitteilen, ist Lichtdesigner und Bühnenbildner Wolfgang Göbbel in dieser Woche von uns gegangen. 1980 entwarf er die lichttechnische Ausstattung der Berliner Schaubühne und arbeitete in seiner langen Karriere unter anderem mit Peter Stein, Luc Bondy, Claus Peymann, Dimiter Gotscheff, Johan Simons und George Tabori zusammen. Unzählige Aufträge führten ihn an weltweit führende Theater, Opernhäuser und Festivals.
- Einem Bericht auf nachtkritik zufolge ist der Regisseur und Dramaturg Reiner Flath bereits Ende Februar verstorben. Er assistierte bei Einar Schleef am Berliner Ensemble und inszenierte in Schwerin und Cottbus, auch gemeinsam mit Christoph Schroth. In den 1980er Jahren führte er außerdem oft im Hörspiel-Bereich Regie.
- Völlig überraschend ist Schauspielerin Ruth Wohlschlegel im Alter von 68 Jahren gestorben, wie auf dem Portal Ruhr24 nachzulesen ist. Sie war vielen aus der ZDF-Serie "Frühling" bekannt, trat aber auch regelmäßg am Schauspielhaus Bochum und den Wuppertaler Bühnen auf. Ihr Wissen gab sie als Dozentin an zahlreiche Nachwuchs-Schauspieler*innen weiter.
- Er war eines der berühmtesten Opfer von Darth Vader: Jetzt ist der "Star Wars"-Darsteller Michael Culver im Alter von 85 Jahren gestorben, wie der Focus erfahren hat. Der Brite, der - wie viele seiner Kolleg*innen - auf eine langjährige Theaterkarriere im Londoner West End zurückblicken konnte, machte sich in den 1960ern durch Auftritte in den James-Bond-Klassikern "Feuerball" und "Liebesgrüße aus Moskau" und in der Kultserie "Mit Schirm, Charme und Melone" einen Namen. Den meisten Filmliebhaber*innen wird er aber durch seinen Auftritt in "Das Imperium schlägt zurück" in Erinnerung bleiben.
Update vom 18.03.24: In dem Abschnitt über das Theater Erfurt war uns ein Fehler unterlaufen: Beim "Rheingold" handelt es sich um eine Inszenierung von Jürgen R. Weber, nicht Guy Montavon. Wir haben den Fehler im Text bereits korrigiert und bitten um Entschuldigung.