Wochenrückblick #16/25

Hundertzwölf! Hundertzwölf!

Veröffentlicht am 19. Apr 2025

Symbolbild. Foto von Ricardo Gomez Angel <a href="https://unsplash.com/de/fotos/freudenfeuer--98jVaVuGv0" target="_blank" rel="noopener">auf Unsplash</a> © Symbolbild. Foto von Ricardo Gomez Angel auf Unsplash © Symbolbild. Foto von Ricardo Gomez Angel auf Unsplash
Wochenrückblick #16/25

Hundertzwölf! Hundertzwölf!

Veröffentlicht am 19. Apr 2025

Ganz reale Brände wurden diese Woche gelöscht – und die metaphorischen schwelen weiter: Während man am Staatstheater Braunschweig noch mit dem Schrecken davongekommen ist, lassen düstere Prognosen in München, Dresden und Güstrow verbrannte Erde befürchten. Außerdem verabschieden wir uns von einer der wichtigsten Stimmen für faire Arbeitsbedingungen – und begrüßen einen Weltstar in Halle.

Feuer am Dach!

Echte Brände...

Die aktuelle Weltlage lässt sich wohl am besten mit folgendem Statement zusammenfassen: „Feuer am Dach!“ Brennende Probleme hat auch die deutsche Theaterlandschaft gerade zu genüge, so dass uns die Begriffe „Publikumsschwund“ und „Sparmaßnahmen“ schon zu den Ohren rauskommen. Aber jetzt macht selbst der echte Feuerteufel nicht mehr vor unseren Bühnen Halt!

Am Staatstheater Braunschweig sorgte diese Woche laut dem Portal Tag24 ein Kurzschluss an einem Verteilerkasten für einen Brand, den die Feuerwehr zum Glück schnell unter Kontrolle bringen konnte. Der durch den Kurzschluss ausgelöste Stromausfall legte allerdings auch das gesamte Theater lahm. Da die nötigen Reparaturen zwei Wochen in Anspruch nehmen werden, musste das Staatstheater nun alle Vorstellungen bis Ende April absagen. Ärgerlich – aber immerhin noch glimpflich ausgegangen.

Ganz anders als bei Hamburgs einziger Horrorbühne: Das Miskatonic Theater wurde Anfang März durch ein Feuer vollkommen zerstört. In einer Reportage des NDR spricht das Gründerpaar Nisan Arikan und Lars Henriks über den existenzbedrohenden Schaden, aber auch über die große Solidarität und Hilfe, die ihnen Theaterfreund*innen in der Hansestadt entgegenbringen.

...und brandgefährliche Sparmaßnahmen:

Düstere Prognosen in München, Dresden und Güstrow

Existenzbedrohend könnten die weitreichenden Sparmaßnahmen von Städten, Bundesländern und Bund nun auch für weitere Theaterhäuser und -festivals werden.

Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung stellte Christian Stückl, der Intendant des Münchner Volkstheaters, bei einer Pressekonferenz das diesjährige Programm für das Festival für junge Regie „Radikal jung“ vor – und gab dabei eine düstere Prognose ab. Da der auf den Theatern lastende Spardruck gerade enorm hoch sei, sei er nicht sicher, ob das Festival sich in Zukunft aufrechterhalten ließe, so Stückl: „Lange können wir das nicht durchhalten.“ Das mögliche Ende der Festivalreihe sei „ein Fanal für den im Gange befindlichen Austrocknungsprozess der Kulturszene in der bayerischen Landeshauptstadt“.

Auch das Fast Forward-Festival für junge Regie in Dresden steht möglicherweise vor dem Aus, wie der MDR erfahren hat. Grund dafür seien laut Festivalleiterin Charlotte Orti von Havranek die Sparpläne des sächsischen Regierung, zu denen die Theateraufführungen des Festivals auf kleinen Bühnen bei günstigen Eintrittspreisen nicht mehr passen würden. Aktuell sei man auf der Suche nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten, aber die Kuratorin ist alles andere als optimistisch: „[…] Wenn nicht jemand in Sachsen hier schreit, [...] sehe ich im Moment nicht so viele Chancen."

An der Ostsee kämpft ein historisches Haus ums Überleben: Das 200 Jahre alte Ernst-Barlach-Theater in Güstrow ist in einem desolaten Zustand, mit sanitären Anlagen aus den 1950er Jahren, gravierenden baulichen Mängeln und fehlender Barrierefreiheit. Wie beim NDR nachzulesen ist, hat es sich nun ein eigens gegründeter Ausschuss der Stadtpolitik zur Aufgabe gemacht, das Theaterhaus zu retten, das erst im vergangenen Jahr mit dem Theaterpreis des Bundes ausgezeichnet worden ist. Der Landkreis Rostock kann die zur Sanierung benötigten 13,5 Millionen Euro nicht alleine aufbringen, daher suche man nun nach weiteren Geldgebern und Förderungsmöglichkeiten.

Hoffentlich lässt sich dieser Flächenbrand in der deutschen Theaterlandschaft noch unter Kontrolle bringen.

"Wer Kunst will, muss Arbeitsbedingungen schaffen, in denen Kunst entstehen kann." – Mach´s gut, art but fair!

Jahrelang war er eine der lautesten und konstruktivsten Stimmen für bessere Arbeitsbedingungen im Kultursektor. Nun hat sich der Verein art but fair aufgelöst. Gegründet wurde er im Jahr 2013 von Johannes Maria Schatz und der Mezzosopranisten Elisabeth Kulman; bald jedoch stand dahinter ein internationales Netzwerk von Kulturschaffenden, die sich offen gegen Dumpinggagen, Machtmissbrauch, unsichere Lebensverhältnisse und fehlenden Respekt gegenüber künstlerischer Arbeit aussprachen.

Die Arbeit des Vereins sorgte dafür, dass diese Themen nicht mehr nur den Betroffenen auf den Nägeln brannten, sondern auch von Politik und Medien aufgegriffen wurden. Dank art but fair entstanden auch zahlreiche neue Interessenvertretungen in allen Kunstsparten. Als letzte „Amtshandlung“ hat der Verein nun einen wichtigen Appell veröffentlicht: „Faire Kunst ist kein Luxus – sie ist die Voraussetzung für kulturelle Lebendigkeit. Wer Kunst will, muss Arbeitsbedingungen schaffen, in denen Kunst entstehen kann. Angemessene Vergütung. Mitbestimmung. Respekt. Das sind keine Extras. Das ist das Fundament.“ Well said, art but fair, well said.

Bäumchen wechsel dich – Die Personalia der Woche

Jetzt aber mal zu angenehmeren Themen: An diesem Wochenende ist ja mal wieder der Osterhase unterwegs und verteilt fleißig Eier und Schokolollis, Monstertrucks und Playstations in den Vorgärten. Wie es aussieht, haben einige Theater schon vorzeitige Ostergeschenke bekommen – nämlich in Form von neuem (Leitungs-)Personal.

  • Das Berliner Ensemble hat nun zum Beispiel einen neuen Geschäftsführenden Direktor: Nach einem Bericht von nachtkritik wird Kulturmanager Dieter Ripberger ab 1. Juni gemeinsam mit Intendant Oliver Reese das Haus leiten. Ripberger war zuletzt von seiner Tätigkeit am Staatstheater Kassel ohne Begründung freigestellt worden (Theapolis berichtete zuletzt hier). Inzwischen hat er sich mit dem hessischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kultur auf eine Beendigung der Zusammenarbeit geeinigt. Vor seiner Zeit in Kassel arbeitete Ripberger als Co-Intendant und Geschäftsführer am Tübinger Zimmertheater.
  • Auch von dort gibt es Neuigkeiten: Dieter Ripbergers Mann Peer Mia Ripberger hatte im Februar seinen Vertrag als Intendant des Zimmertheater Tübingen gekündigt, da er die von der Stadt verordneten Sparmaßnahmen für untragbar hielt – auch hierüber hat Theapolis bereits berichtet. Nun steht sein Nachfolger fest: Laut HNA übernimmt der ehemalige Kasseler Intendant Thomas Bockelmann zum 1. September die Leitung des Zimmertheaters. Für Bockelmann ist es ein Weg „zurück zu den Wurzeln“: Er leitete das Tübinger Haus bereits zwischen 1988 und 1993. Der 70-jährige hat nun die schwere Aufgabe, die geforderten Etatkürzungen durchzusetzen. Aber er will auch „gleich Flagge zeigen“ - mit einer Eröffnungsinszenierung von George Taboris Anti-Kriegsstück „Mutters Courage“.
  • Die Wiesbaden Biennale 2025 hat ebenfalls ihr Leitungsteam gefunden: Wie auf dem Portal Kulturfreak nachzulesen war, kuratieren Rebecca Ajnwojner und Carolin Hochleichter das vom Hessischen Staatstheater Wiesbaden ausgelobte Kulturfestival. Ziel sei es dabei, einen Bogen über die Stadtgeschichte Wiesbaden und die des Theaters zu spannen, an Orten außerhalb der Bühne, die spannende Geschichten erzählen können. Rebecca Ajnwojner arbeitete unter anderem bereits als Dramaturgin am Maxim Gorki Theater, wo sie den 4. Berliner Herbstsalon mitorganisierte. Carolin Hochleichter konnte schon Erfahrung bei den Berliner Festspielen, der Ruhrtriennale sowie in Athen und Epidauros sammeln.
  • Hasko Weber hat sich für das Staatstheater Cottbus tatkräftige Unterstützung geholt: Nach einem Bericht von Niederlausitz Aktuell wird Raban Witt ab der kommenden Spielzeit die Leitung der Schauspielsparte übernehmen. Er folgt damit auf das Dreierteam von Franziska Benack, Armin Petras und Philipp Rosendahl, die Ende 2024/25 das Haus verlassen. Von 2019 bis 2022 war Witt Dramaturg und Mitglied der künstlerischen Leitung am Theater Oberhausen. Als Teil des Regieduos Kaufmann/Witt entwickelt er regelmäßig Bühnen- und immersive Theaterarbeiten. Unter anderem war die von ihm mitentwickelte Serie „Sterben“ im Jahr 2021 bei „Theater heute“ als beste Inszenierung nominiert.
  • In dieser Woche haben gleich zwei Theater neue Hausautoren unter Vertrag genommen. Am Nationaltheater Mannheim fiel die Wahl auf den mehrfach ausgezeichneten Autor und Regisseur Emre Akal. Laut Mannheimer Morgen wird sich sein Auftragswerk mit dem Einfluss von K.I. auf zwischenmenschliche Beziehungen beschäftigen. Akal arbeitete unter anderem schon an den Münchner Kammerspielen, am Thalia Theater Hamburg und am Staatstheater Hannover.
  • In Köln kann sich Calle Fuhr gleich doppelt freuen: Er wird ab der nächsten Spielzeit nicht nur als Hausautor, sondern auch als Hausregisseur am Schauspiel Köln tätig sein und damit das Leitungsteam von Kay Voges und Alexander Kerlin ergänzen. Das meldet der WDR. Fuhr war bereits am Theater Basel, am Wiener Volkstheater und dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg tätig; dabei arbeitete er schon häufig mit investigativen Medien wie CORRECTIV zusammen.
  • Große Ehre für das Neue Theater Halle: Die international ausgezeichnete Schauspielerin Sandra Hüller gibt dort ihr Regiedebüt mit einem ganz neuen Blick auf den klassischen Penthesilea-Stoff. Wie es zu der Zusammenarbeit kam, verriet Hüller dem MDR erfrischend nüchtern: „Halle hat mich gefragt, ob ich hier arbeiten möchte.“ Das antike Thema ist für Sandra Hüller kein unbekanntes Terrain: Mit Jens Harzer spielte sie 2018 eine Duo-Fassung der „Penthesilea“ bei den Salzburger Festspielen.

Abschied

Das Ohnsorg-Theater trauert um ein langjähriges Ensemblemitglied: Nach einem Bericht von SHZ ist der Volksschauspieler Horst Arenthold im Alter von 64 Jahren gestorben. Sein Debüt auf Hamburgs bekanntester plattdeutscher Bühne gab Arenthold im Jahr 1998. Im Laufe seiner Karriere spielte er dort unter anderem Zettel in „En Sommernachtsdroom“, den Dorfrichter Adam in „Dat Schörengericht“ und gemeinsam mit Heidi Mahler in „Tratsch op de Trepp“. Frank Grupe, langjähriger Oberspielleiter des Theaters, schreibt in seinem Nachruf: „Mit Deiner enormen Bühnenpräsenz, Deinem gewaltigen komischen Talent und Deiner tiefen Wahrhaftigkeit hast Du alle Herzen im Sturm erobert. Du warst einer der letzten großen Volksschauspieler […].“

Die Serie „Miami Vice“ machte ihn bekannt: Nun ist der Schauspieler Mario Ernesto Sanchez laut dem Magazin InTouch im Alter von 78 Jahren nach langer Krankheit verstorben. Der gebürtige Kubaner kam mit gerade einmal 15 Jahren nach Florida, wo er seine Leidenschaft fürs Schauspiel entdeckte und das hispanische „Teatro Avante“ gründete. Nach einigen Rollen in TV-Produktionen und Kinofilmen sicherte er sich einen festen Platz bei der Kultserie „Miami Vice“, wo er in mehreren Episoden verschiedene Rollen spielte. Das Theater blieb aber immer ein fester Bestandteil seines Lebens: 2014 wurde Sánchez mit dem "Legacy Award" für "herausragende Persönlichkeiten, deren lebenslanges Engagement für das Latino-Theater in den Vereinigten Staaten und Lateinamerika einen nachhaltigen Einfluss auf die Branche haben wird" ausgezeichnet.

„Batman Forever“, „Top Gun“, „Tombstone“, „The Doors“... In den 1980er und 1990er Jahren war Schauspieler Val Kilmer ein Weltstar. Nun ist er, wie man unter anderem im SPIEGEL nachlesen konnte, im Alter von 65 Jahren gestorben. Kilmer war Absolvent der renommierten Juillard School in New York City – und damals der jüngste Student, der je dort aufgenommen wurde. Er spielte wichtige Rollen am Theater, wie etwa den Orestes, Richard III. oder Macbeth, un dgab sein Broadway-Debüt 1983 an der Seite von Sean Penn und Kevin Bacon in "Slab" Boys. Außerdem war er Co-Autor des Stücks "How It All Began (Wie alles anfing)", das auf der Autobiografie des West-Berliner Linksterroristen Michael Baumann basierte. Kilmers letzte Lebensjahre waren vor allem durch den Kampf gegen seine Krebserkrankung gezeichnet. Bei seinem Gastauftritt im Sequel „Top Gun: Maverick“ aus dem Jahr 2022 hatte er schon, genau wie seine Figur „Iceman“ seine Stimme an einen Tumor verloren. „It´s time to let go...“

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