Während sich aktuell die Promis auf dem grünen Hügel in Bayreuth tummeln und über Regiestar Þorleifur Örn Arnarssons „Tristan und Isolde“-Inszenierung rätseln, bleiben im Rest der Republik die meisten Theaterlichter aus, Parlamente machen Pause, und alles geht in der Hitze seinen etwas schwerfälligeren Gang. Am Badestrand und auf Balkonien erreichen einen daher auch so manche Theaternews nur schwer. Doch die der vergangenen Woche haben es in sich, denn es rumort und brodelt in der deutschen Theaterlandschaft – vor allem bei Thema Geld.
Massive Kürzungen bei Kulturfonds - Aufruhr zu Entscheidungen in Berlin und München
Der aktuelle Haushaltsentwurf der Ampel-Koalition hat die staatlichen Kulturfonds in Sorge versetzt: Nach einem Bericht des SPIEGEL beklagt man vor allem die „massiven Kürzungen“, die einer Förderung der Kulturszene im Weg stünden. Dabei steht vor allem Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Die Grünen) in der Kritik, die durch ihre Entscheidung „die perspektivische Fortsetzung“ der Arbeit des Bundeskulturfonds gefährde. Im Verhältnis zu 2024 sollen die Fonds nämlich im kommenden Jahr nur die Hälfte an Finanzmitteln erhalten. In der Neuen Musikzeitung kann man ihre komplette Stellungnahme nachlesen. Die Geschäftsführerin der Stiftung Kunstfonds, Karin Lingl, hat außerdem dem Sender Radio Drei ein Interview gegeben.
Auch aus einer anderen Ecke kommt lautstarke Kritik am Haushaltsentwurf: Das Bündnis Internationaler Produktionshäuser wehrt sich in einem offenen Brief gegen die geplante Einstellung der Förderung seiner Aktivitäten. Unter dem Dach des Bündnisses sind die sieben größten Zentren für freie darstellende Künste in Deutschland vereint, die mit zahlreichen europäischen und internationalen Partnerorganisationen zusammenarbeiten. Durch die Berliner Finanzplanungen muss die Vereinigung nun um ihren Fortbestand fürchten. Unter den Unterzeichneten befinden sich unter anderem Annemie Vanackere (HAU) und Stefan Hilterhaus (PACT Zollverein Essen).
Sogar die reiche Stadt München treiben offenbar Geldsorgen um: Umgerechnet 7,7 Millionen Euro muss das Kulturreferat im laufenden Jahr einsparen, wie man aus der Süddeutschen Zeitung – leider hinter einer Paywall - erfahren konnte. Nun befürchten zahlreiche Kulturinstitutionen einen „Kahlschlag“ bei der Förderung und damit die Gefährdung ihrer Existenz. Es formiert sich allerdings massiver Widerstand: Dem Newsletter der Münchner "Abendzeitung" zufolge soll die Intendantin der Kammerspiele, Barbara Mundel, bereits damit gedroht haben, ihren Posten zu räumen, sollten die Sparmaßnahmen so umgesetzt werden. Auch Intendant Christian Stückl soll bereits "ein Volkstheater aufgeführt" haben angesichts der Pläne. Die SK3 – Ständige Konferenz für Kunst und Kultur in Bayern prangert auf ihrer Website die „kulturpolitische Unzuverlässigkeit der Landeshauptstadt“ an, begrüßt aber auch die Bemühungen des Kulturreferats, „gezielt nach verträglichen Lösungen und Sparoptionen“ mit den betroffenen Künstler*innen und Einrichtungen zu suchen.
Aber auch die Münchner Bürger*innen selbst wehren sich beherzt gegen Kürzungen im Kulturleben: Die TZ hatte erfahren, dass wegen einzusparender Gelder im Stadtteil Sendling das Gebäude der Stadtbibliothek und der Volkshochschule nicht saniert und damit faktisch geschlossen werden sollte. Nach einer friedlichen Demonstration von Anwohner*innen gegen diese Schließungen haben nun die Mehrheitsfraktionen aus Die Grünen / Rosa Liste und SPD / Volt einen Antrag auf Mittel zur Sanierung im Stadtrat gestellt.
Wohin mit der Komischen Oper? Barrie Kosky protestiert
Der ehemalige Intendant der Komischen Oper Berlin, Barry Kosky, hat in einem Offenen Brief scharf gegen aktuelle Überlegungen der Berliner Kulturpolitik protestiert. Es stehe dabei im Raum, die Komische Oper an ihrem aktuellen Ausweichquartier im Schillertheater dauerhaft anzusiedeln, um das Haus an der Behrenstraße nicht aufwändig sanieren zu müssen. Kosky argumentiert mit der engen Verbundenheit des Musiktheaters zu seinem traditionsreichen Spielort und fragt in dem Brief: „Würden Sie das Berliner Ensemble vom Bertold (sic!) -Brecht-Platz wegholen? Würden Sie die Berliner Philharmoniker von der Philharmonie trennen? Niemals. (...) Der Komischen Oper ihre Heimat zu verweigern, hieße, sie langsam zu ersticken.“
Ausgetanzt in Wien? Petition zum Erhalt der „Performing Academy“
Auf ihrer Website hat das Performing Center Austria um Unterstützung seiner aktuellen Petition zum Erhalt der Performing Academy Wien gebeten – und dabei der Wiener Landes- und der österreichischen Bundesregierung heftige Vorwürfe gemacht. Im Raum stehen die Veruntreuung von Geldern, Willkür, Machtmissbrauch und Korruption über mehrere Jahrzehnte, die das Center in mehreren Vlogs öffentlich gemacht hat. Das aufgrund des missbräuchlichen Verhaltens verschwundene Geld fehlt der Ausbildungsstätte nun, so dass eine Schließung droht. Um das Haus zu retten, wurde auch eine Crowdfunding-Kampagne eingerichtet.
Krimis in Halle und Oberammergau
Nach den Einbrüchen ins WUK Theater Quartier Halle (Theapolis berichtete) konnte die Polizei laut MDR nun zwei Verdächtige festnehmen. Allerdings seien nur noch fünf Prozent der gestohlenen Technik wieder aufgetaucht – den Rest hätten die Täter*innen wohl schon verkauft, so Theaterleiterin Nicole Tröger. Dem Theater war durch den Einbruch und die Folgen ein Schaden in Höhe von 120.000 € entstanden. Ein entscheidender Zeugenhinweis sei nach einer Schilderung des Falls in der MDR-Sendung „Kripo Live“ eingegangen.
Im Spielleiter-“Krimi“ bei den Oberammergauer Passionsspielen (Theapolis berichtete) hat sich nun ein überraschender Twist ergeben, den man im Merkur nachlesen konnte: Nachdem die Unterstützer von Noch-Spielleiter Christian Stückl ein Bürgerbegehren auf den Weg bringen wollten, um Stückl weiterhin auf seinem Posten zu halten, hat nun Stückls „Ziehsohn“ und Mitbewerber um den Posten, Regisseur Abdullah Karaca eine Zusammenarbeit mit seinem ehemaligen Chef vorgeschlagen. In internen Gesprächen, auch mit dem Gemeinderat, wollen Stückl und Karaca nun die Möglichkeiten ausloten – das Bürgerbegehren ist damit erst einmal vom Tisch.
Dagegen steht der jährliche Oberammergauer Kultursommer nun immer noch vor einer sehr ungewissen Zukunft, wie man ebenfalls beim Merkur erfahren hat. Die Leitungs-GmbH – der natürlich auch Christian Stückl angehört - macht eine Fortführung der Veranstaltungsreihe nämlich mitunter an der Spielleiterfrage fest. Von manchem Gemeinderatsmitglied wurde daher schon ein Vorwurf von „Erpressung“ geäußert. Aber auch bei der finanziellen Seite des Kultursommers gibt es enormen Klärungsbedarf, nachdem die diesjährige Theaterproduktion „Der Rebell“ wegen zu hoher Kosten und zu geringer Kartenvorverkäufe abgesagt worden war. Es bleibt spannend bei diesem Krimi im Alpenvorland...
„Schöne neue Welt“ – Killt KI Sprecher*innen-Jobs?
Vor einiger Zeit hat Theapolis bereits über den Einfluss von KI und neuen digitalen Medien auf die Zukunft des Theaters und des Schauspielberufs berichtet. Nun scheint sich in der „schönen neuen Welt“ eine sehr hässliche, jobgefährdende Landschaft aufzutun: Wie die Süddeutsche Zeitung hinter einer Bezahlschranke berichtet, haben die renommierten Münchner Wavefront Synchronstudios Insolvenz angemeldet. Allgemein verzeichnen Sprecher*innen-Agenturen im Moment Einbrüche von über 60 Prozent. Der Grund? Künstliche Intelligenz scheint im Sprechergeschäft immer mehr Schauspieler*innen um ihren Arbeitsplatz zu bringen. So hatten wir uns das mit den Robotern, die für uns arbeiten, während wir der Kunst nachgehen können, eigentlich nicht vorgestellt...
Abschied
In dieser Woche mussten sich Serienfans von einem umtriebigen Talent verabschieden: Nach einem Bericht des RedaktionsNetzwerk Deutschland ist Schauspieler James Sikking im Alter von 90 Jahren an den Folgen seiner Demenzerkrankung verstorben. Sikking wirkte im Laufe seiner Karriere in über 200 Film- und Fernsehproduktionen mit, darunter „Polizeirevier Hill Street“ und „Doogie Howser, M.D.“ mit Neil Patrick Harris. Wenngleich vor allem bekannt für seine TV-Rollen hatte James Sikking auch zahlreiche Auftritte auf der Theaterbühne und auf der Kinoleinwand, wie zum Beispiel als Auftragskiller in John Boormans Film "Point Blank" (1967), als Föderationscaptain Styles in "Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock" (1984) unter der Regie von Leonard Nimoy oder als Direktor des FBI in Alan J. Pakulas "Die Akte" (1993).