Tarifverhandlungen NV Bühne

Mindestgage soll auf 3.100 € steigen

Veröffentlicht am 7. Mär 2022

Thilo Beu © Thilo Beu © Thilo Beu
Tarifverhandlungen NV Bühne

Mindestgage soll auf 3.100 € steigen

Veröffentlicht am 7. Mär 2022

Am kommenden Mittwoch beginnen die Verhandlungen mit dem Deutschen Bühnenverein. Die GDBA stellt nun eine klare Forderung - und überrascht mit einer bemerkenswerten Aktion.

Just letzte Woche, nachdem eine Einigung der Gewerkschaften zum TV COVID und zum TVöD bekannt wurde, haben wir uns gefragt, wann es denn nun endlich auch um eine Gagenerhöhung im NV Bühne gehen wird. Am 9. März geht es nun in die Tarifverhandlungen zwischen der Theatergewerkschaft GDBA und dem Deutschen Bühnenverein. Das Ziel: Die Mindestgage im NV Bühne muss sich "spürbar" erhöhen.

Konkret fordert die GDBA eine Mindestgage zwischen 2.750€ und 3.100€ je nach Größe der Häuser und Qualifikation der Mitarbeiter*innen. Das bedeutet im Bestfall eine Steigerung von 55%.

Mindestgage von 2.000€ wird schon lange als prekär eingestuft

Aktuell liegt die Mindestgage für Solo-Künstler*innen und Bühnentechniker*innen bei nur 2.000€ pro Monat - und damit unter dem Bereich von un- und angelernten Küchenhilfen und Boten.

Und das, obwohl Bühnenkünstler*innen meist einen Hochschulabschluss haben und an Sonn- und Feiertagen arbeiten - ganz zu schweigen von den zusätzlichen schwer zu erfassenden Arbeitszeiten, die beispielsweise für das Textlernen zu Hause draufgehen. Auch die zumeist zeitlich begrenzten Arbeitsverträge von Künstler*innen erschweren die Lebensplanung enorm.

Obendrein wurde die Gage seit 2018 nicht erhöht und hält der Inflation auch nicht ansatzweise Stand. Es ist also ohnehin allerhöchste Eisenbahn, da endlich einmal zu handeln. Man könnte sich angesichts all dieser Fakten eher fragen, wieso das eigentlich überhaupt so lange gedauert hat.

Betrachtet man das Ganze noch vor dem Hintergrund, dass sich der Mindestlohn im Januar auf 9,82€ erhöht hat und zum Oktober dieses Jahres auch noch einmal auf 12€ steigen wird, wird diese notwendige Anpassung noch offensichtlicher.

GDBA macht mit Petition ihre Verhandlungspositionen transparent

Die GDBA hat nun, um ihre Forderungen bereits im Vorfeld der Verhandlungen publik zu machen und der Öffentlichkeit Gelegeheit zur Solidarisierung und zum Mitgestalten zu geben, eine Petition gestartet, die hier unterzeichnet - und auch gerne großzügig weiter verbreitet werden darf.

Eine bemerkenswerte und auch mutige Aktion.

Bemerkenswert, weil die GDBA erstmalig in ihrer Geschichte ihre Forderungen bereits im Vorfeld der Verhandlungen publik macht. Diese neue Transparenz ist sicherlich auch auf einen Paradigmenwechsel zurückzuführen, der seit Beginn der Präsidentschaft von Lisa Jopt erfolgt zu sein scheint.

Mutig, weil solche Aktionen natürlich auch immer schiefgehen können - was, wenn kaum jemand unterschreibt, sich niemand für das Thema interessiert?

Einen Nerv getroffen

Sorgen dieser Art scheinen jedoch in diesem Fall unbegründet, wie man an den Reaktionen auf die Petition erkennen kann. Ganz offensichtlich wurde bei vielen ein Nerv getroffen. Nicht nur gibt es bereits in kürzester Zeit fast 1.400 Unterzeichnende (Stand 07.03. um 14h). Bemerkenswert ist vor allem die Vielzahl der Kommentare - zum jetzigen Zeitpunkt sind es schon weit über 300. Ganz offenbar besteht das Bedürfnis, sich zu äußern, seiner Wut Luft zu machen. Da hört man unter anderem von einer direkt Betroffenen:

"Die künstlerische Arbeit am Theater ist ein Fulltime Job, der permanente Flexibilität und Kompromisse mit dem Privatleben erfordert. Trotzdem verdient man so wenig, dass man mit dem Gehalt kaum auskommt, um sich eine vernünftige Wohnung leisten zu können. Sparen, um was für schlechte Zeiten übrig zu haben, ist erst recht nicht möglich. Warum ist das so? Warum kann ich von meinem Job nicht richtig leben? Ich habe ein abgeschlossenes Hochschulstudium und gehöre damit zur Bildungselite und das sollte sich am Monatsende auch zeigen!"

"Wir lieben unseren Beruf. Aber wir wollen uns nicht weiter ausbeuten lassen."

Unter den Kommentierenden sind aber nicht nur Theaterschaffende. Auch die Theaterbesucher*innen selbst - und das ist mindestens genau so ausschlaggebend - fordern Gerechtigkeit und einen verantwortungsbewussten Umgang mit ihren Steuergeldern:

"Ich bin keine Schauspielerin, aber Theater und Kultur ist ein besonderes Gut. In dieser schnelllebigen und vielfältigen Welt bringt die Bühnenschauspielerei Themen klasse zur Geltung. Egal ob für Kinder oder Jugendliche oder Erwachsene. Ein angemessenes Gehalt ist dabei unerlässlich!! Für solche hohen Leistungen muss ein gerechter Ausgleich stattfinden."

Seien wir also gespannt auf die Verhandlungen am Mittwoch. Der Ball liegt jetzt nicht nur beim Bühnenverein. Auch die GDBA muss nun liefern, so viel ist sicher. Wer selbstbewusste Forderungen stellt, muss auch selbstbewusst verhandeln.

 

Neben der Petition wird es ab morgen auch Videostatements zur Kampagne auf Youtube und Instagram geben.

Kommentare

Karen Suender

Karen Suender

Lieber Jan Kristof Schliep, den NV Bühne kann man bei der GDBA für 15€ bestellen (http://www.buehnengenossenschaft.de/publikationen/normalvertrag-buehne/) bzw. für Mitglieder ist er dort kostenlos. Hier noch mehr Infos dazu: https://nv-buehne.de/nv-buehne.html#quellen
17.03.2022 07:54
Michael Günther

Michael Günther

Die Bemühungen um eine deutlich höhere Einstiegsgage sind aller Ehren wert, bergen aber ziemliche Gefahren für die Berufsanfänger*innen in unserer Branche. Für 3100€ gibt es eine ordentliche Auswahl erfahrener/junger Spieler*innen. Die Theater werden sich bei gleichen Kosten immer dafür entscheiden, weil Absolvent*innen noch nicht "fertig" im Sinne des Anforderungsprofils sind. So wird der Markt für diese noch enger und sie erhalten noch schwieriger Zugang zu tauglichen Erstengagements, wenn sie nicht mehr "günstig" zu haben sind. Die Lösung wäre, eine Staffelung der Gagen zu verhandeln und nicht nur die Mindestgage. VERDI hat hier Beispielhaftes geleistet in Bezug auf die Musical-Branche und auch in den anderen künstlerischen Fachgewerkschaften sind ausgeschlafene Leute.
14.03.2022 23:09
Jan Kristof Schliep

Jan Kristof Schliep

Gibt es eigentlich eine Möglichkeit, den NV als pdf auf Theapolis zu hinterlegen?
11.03.2022 12:59